ifo Geschäftsklima – Hoffnungsträger oder Warnung vor De-Industrialisierung?

Dr. Klaus Bauknecht, IKB Deutsche Industriebank AG
Dr. Klaus Bauknecht /Bild: IKB Deutsche Industriebank AG
Fazit: Das ifo Geschäftsklima bestätigt konjunkturelle Erholungstendenzen. Dies allein ist jedoch noch kein Grund für Optimismus. Denn die Stimmungsaufhellung im Verarbeitenden Gewerbe ist eher überschaubar. Um jedoch die für eine Transformation der Industrie benötigte Investitionsbereitschaft sicherzustellen, ist eine grundsätzlich und vor allem anhaltend bessere Stimmung gerade im Verarbeitenden Gewerbe notwendig. So bestätigt das ifo Geschäftsklima zwar die Erwartung einer leichten konjunkturellen Erholung im BIP-Wachstum. Die Gefahr einer sinkenden Bedeutung der Industrie am Standort Deutschland bleibt hingegen bestehen, da zyklische Erholungstendenzen wohl kaum strukturelle Hemmnisse ausreichend eliminieren werden. Die IKB erwartet ein BIP-Wachstum von um die 0 Prozent für 2024.

De-Industrialisierung eine reale Gefahr

Stimmungsindikatoren bestätigen zunehmend eine Aufhellung in der Euro-Zone und damit auch in Deutschland. Dies ist jedoch vor allem durch die Dienstleistung getrieben und weniger durch das Produzierende Gewerbe. Allerdings scheint sich auch dort die Stimmung etwas aufzuhellen. Dies wird durch eine Reihe von Stimmungsindikatoren bestätigt. Auch das ifo Geschäftsklima erholt sich weiter. Unternehmen schätzen die aktuelle, aber vor allem die zukünftige Lage besser ein. Konjunkturerwartungen hellen sich also auf, und das ifo signalisiert eine zyklische Erholung in der Stimmung deutscher Unternehmen. Zwar ist diese Aufhellung in allen Sektoren der Wirtschaft zu erkennen, doch bestätigt das ifo Geschäftsklima eine Divergenz zwischen der Stimmung in der Dienstleistung und dem Verarbeitenden Gewerbe.
Gemessen am globalen Handel sowie der Industrieproduktion u. a. in China ist von einer zunehmenden Belebung des deutschen Verarbeitenden Gewerbes auszugehen. Wie stark diese Belebung sein wird, ist jedoch abzuwarten. Denn zum einen ist das globale Konjunkturbild im Jahr 2025 mit Risiken einer US-Abkühlung und geopolitischen Spannungen behaftet. Zum anderen verhindern Angebotsthemen wie niedrige Investitionen und hohe Energiekosten eine deutliche Ausweitung von Produktion und Kapazitäten. Die Divergenz zwischen der sich deutlich aufhellenden Stimmung im Dienstleistungssektor und dem Verarbeitenden Gewerbe könnte deshalb anhalten und spiegelt strukturelle Produktionshemmnisse wider. In der Folge wird ein Rückgang des Wertschöpfungsbeitrags des Verarbeitenden Gewerbes zur Dienstleistung möglich. Das bedeutet: Hellt sich die Stimmung im Produzierenden Gewerbe nicht ebenfalls weiter spürbar auf, so bestätigt dies eine Entwicklung der De-Industrialisierung. Eigentlich wäre diese Aussage zu weit gegriffen, wenn es sich nur um zyklische Entwicklungen handeln würde. Im Kontext der strukturellen Probleme und angestrebten CO2-Neutralität ist die Sorge vor einer De-Industrialisierung jedoch durchaus berechtigt.
Die Gefahr einer zunehmenden Abwanderung bzw. eines Produktionsverlusts der Wirtschaft infolge der angestrebten Klimaneutralität wird von einer jüngsten Studie der Bundesbank (siehe Energieeffizienzgewinne: Folgen für CO2-Emissionen und Wirtschaftsleistung in Deutschland | Deutsche Bundesbank) bekräftigt. Simulationen der Bundesbank zeigen, dass ohne einen spürbaren Anstieg in der Energieeffizienz die Klimaziele nicht erreicht werden können bzw. diese nur mit einem Produktionsrückgang realisierbar sind. Doch selbst eine Fortführung des positiven Trends in der Energieeffizienz der letzten 30 Jahre würde hierfür nicht genügen. Es braucht spürbare technologische Impulse und damit auch Disruptionen, um eine ausreichende Energieeffizienzsteigerung sicherzustellen. Dies gilt für die Wirtschaft im Allgemeinen und insbesondere für die Industrie. Solch eine Stei-gerung ist also nur durch hohe Investitionen erreichbar. Der Kapitalstock muss infolge von technologischem Wandel sowie Disruptionen und vor allem durch die daraus resultieren-den Investitionen erneuert werden. Sicherlich mag ein höherer Anteil des Dienstleistungs-sektors die Energieeffizienz des deutschen BIP ebenfalls steigern. Die Folge ist allerdings eine De-Industrialisierung. Demnach würde eher Abwanderung als Transformation den In-dustriestandort auf dem Weg zur Klimaneutralität prägen.  

Was hat dies nun mit dem ifo-Geschäftsklima zu tun? Wenn dieses nicht deutlich und nachhaltig ansteigt und so eine hohe Investitionsbereitschaft signalisiert, sind die Klimaziele durch Transformation nicht erreichbar. Es muss also weniger – wie aktuell – durch globale wie europäische Konjunkturentwicklung getrieben sein, sondern vielmehr durch eine nachhaltige Stimmungsaufhellung infolge einer investitionsfreundlichen Wirtschaftspolitik. Im Übrigen ist die Anhebung des CO2-Preises im Schatten einer zurückhaltenden Investitionsbereitschaft nicht zielführend. Schließlich können positive Anreize wie z. B. die Nutzung von Fördermitteln nur mit einer hohen Investitionsbereitschaft realisiert werden. Ohne diese wirken sich Anreize wie höhere CO2– Preise negativ auf Investitionen aus. Es ist entscheidend, dass die Stimmung im Verarbeitenden Gewerbe sich grundsätzlich verbessert, um die Transformation voranzutreiben.

Brancheneinschätzung und BIP-Ausblick

Die globale und vor allem auch die europäische Konjunkturaufhellung sollte Impulse für eine zyklische Erholung im deutschen Produzierenden Gewerbe liefern, auch wenn diese womöglich weniger dynamisch ausfallen könnte. Mehrere weitere Monate spürbaren Auftriebs sind jedoch notwendig, um von einer allgemeinen konjunkturellen Erholung für den Industriestandort Deutschland sprechen zu können. Dennoch ist bereits in den Produktionszahlen der letzten Monate eine gewisse Erholung erkennbar. Die großen Branchen zeigen allerdings klare Unterschiede in ihrem Produktionsverlauf.

  • Die Chemieindustrie (ohne Pharma) zeigt trotz robuster jüngster Zahlen nur einen schwachen Erholungstrend. Das Produktionsniveau bleibt deutlich unter dem vor der Corona-Pandemie.
  • Trotz einer Erholung der jüngsten Produktionszahlen ist die Automobilindustrie am Standort Deutschland weiter gefangen in einem negativen Produktionstrend.
  • Aktuelle Zahlen bestätigen eine negative Produktionsentwicklung im Maschinenbau.
  • Auch die Elektroindustrie zeigt einen deutlich negativen Trend in ihrer Produktion.

Für eine überzeugende, allgemeine Erholung in den Branchen des Verarbeitenden Gewerbes braucht es eine spürbare weitere allgemeine Aufhellung. Hiervon – und somit einer weiteren Stimmungsverbesserung – gehen wir allerdings aus. Globale Konjunkturdaten sowie lokale Stimmungsindikatoren deuten bereits aktuell auf ein positives bzw. höheres BIP-Wachstum im zweiten Quartal hin. Trotz des strukturellen Gegenwindes scheint die Wirtschaft etwas Fuß zu fassen. Wir erwarten ein BIP-Wachstum von um die 0 Prozent im Jahr 2024 und ca. 1 Prozent im kommenden Jahr. Beides ist für eine Transformation der Industrie jedoch zu niedrig.

Dr. Klaus Bauknecht ist als Chefvolkswirt der IKB Deutsche Industriebank AG verantwortlich für die volkswirtschaftlichen Analysen, Prognosen und Einschätzungen der Bank und schreibt dort auch im eigenen IKB-Blog. Zudem lehrt der promovierte Volkswirtschaftler an der Nelson Mandela University in Südafrika. Zuvor arbeitete er in verschiedenen leitenden Positionen anderer Banken und im südafrikanischen Finanzministerium. Er schreibt zu aktuellen und übergeordneten Konjunktur-, Volkswirtschafts- und Marktthemen.
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