In der Inflations-/Reflationsdebatte könnte Gold gewinnen

Joe Foster, vanEck
Joe Foster / Bild: vanEck
Gold hatte einen starken Start ins Jahr und erreichte am 6. Januar mit einem Wert von 1.959 US-Dollar pro Unze sein Monatshoch, während der U.S. Dollar Index (DXY) zur gleichen Zeit neue Dreijahrestiefs markierte. Allerdings kehrte sich die Entwicklung von Gold schnell um, als klar wurde, dass die Demokraten eine Stichwahl in Georgia gewonnen hatten, was ihnen mithilfe eines demokratischen Vizepräsidenten die Kontrolle über den Senat verschafft. Mit diesem entscheidenden Sieg begann an den Märkten schnell ein „Reflationshandel“, da darauf gesetzt wurde, dass die Demokraten Billionen von Dollar an zusätzlichen Ausgaben für Pandemiehilfen, Infrastruktur und grüne Initiativen beschließen würden. Die Zinssätze stiegen sprunghaft an und brachten zehnjährige Treasuries am 12. Januar auf ein Zehnmonatshoch von 1,18 Prozent. Der Zinsanstieg stärkte den US-Dollar und trieb den DXY auf sein Monatshoch vom 18. Januar, während Gold auf sein Monatstief von 1.804 US-Dollar fiel.

Kein Auftrieb für Gold

Wir hatten gedacht, dass ein solcher Sieg der Demokraten positiv für Gold sein würde, da er zu einer größeren Defizitfinanzierung, höheren Steuern und mehr Regulierung führen könnte. Der kurzfristige Anstieg der Renditen und des US-Dollars überlagerte jedoch die längerfristigen Auswirkungen – zumindest vorerst. Der Goldpreis tendierte in der zweiten Monatshälfte dann höher, da die Zinsen und der US-Dollar nachgaben. Gold schloss den Monat bei 1.847,65 US-Dollar und somit mit 50,71 US-Dollar (2,7 Prozent) im Minus. Der NYSE Arca Gold Miners Index (GDMNTR) fiel um 3,8 Prozent, während der MVIS Global Junior Gold Miners Index (MVGDXJTR) um 7,0 Prozent zurückging.

Heiho Silber!

Gold erhielt zum Monatsende außerdem Unterstützung, als der Handel mit Silber anzog. Bei Reddit, einer beliebten Online-Community, gibt es das WallStreetBets-Forum, in dem sich Kleinanleger und Daytrader austauschen. Anfang des Monats visierten Investoren mithilfe von Reddit den elektronischen Game-Store GameStop Corp. und andere relativ kleine Unternehmen mit einem großen Bestand an Leerverkaufspositionen als Kaufgelegenheiten an. Die Käufe von Privatanlegern und die Deckungskäufe durch Hedgefonds verhalfen GameStop im Januar zu einem Plus von sage und schreibe 1.625 Prozent. Am 28. Januar wandten sich die Reddit-Händler dann Silber zu, das ihrer Meinung nach von den Banken unterdrückt wird, um die Inflation zu verschleiern. Seit dem ersten Februar hat der Silberpreis in den letzten drei Handelstagen um 15 Prozent auf 29 US-Dollar pro Unze zugelegt, und einzelne Silberaktien konnten sogar 59 Prozent hinzugewinnen. Das Handelsvolumen und die Zuflüsse in börsengehandelte Silberprodukte sind explosionsartig gestiegen.

Fundamentaldaten vor Manipulation gefeit

Es ist ein großer Schritt für die Reddit-Trader, von einem kleinen Titel mit einem enormen Bestand an Leerverkaufspositionen wie GameStop auf die mehrere Milliarden schwere Silberbranche umzusteigen. Es scheint, dass sich ihre Anlageentscheidungen eher auf Verschwörungstheorien und Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit stützen als auf die Fundamentaldaten von Rohstoffen und Branchen. Trotzdem stellen sie einen neuen Anlegertypus für Silber dar, dessen Kurs somit möglicherweise steigen wird. Silber befand sich zusammen mit Gold in einem Bullenmarkt, weshalb wir hier keinen Short-Squeeze sehen.
 
Tatsächlich ist die spekulative Nettopositionierung bei Silber-Futures seit über einem Jahr „long“. Das Gold/Silber-Verhältnis liegt derzeit bei 68 und damit nahe dem Zehnjahresdurchschnitt von 70. Das Verhältnis erreichte einen Tiefstand von 31 im Jahr 2011, als Silber sein Allzeithoch von 49,80 US-Dollar erreichte. Außerdem erreichte Silber nur 30 US-Dollar pro Unze, während Gold im letzten August neue Allzeithochs erklomm. Daher würden höhere Silberpreise hier durchaus innerhalb der üblichen Spannen liegen. Allerdings werden viele Silbertitel jetzt zu außergewöhnlich hohen Bewertungen gehandelt und könnten fallen, sobald der Reddit-Wahn zu Ende ist.

Schwarzer-Schwan-Phänomen

Reddit/WallStreetBets ist das erste Schwarze-Schwan-Phänomen seit dem COVID-Crash. Es ist die unbeabsichtigte Folge einer rigorosen Regierungspolitik, die die Zinsen auf null drückte, kostenloses Geld in Billionenhöhe verteilte und einer Gesellschaft reichlich freie Zeit verschaffte. Ein freies Marktsystem kann seine Funktion der Preisfindung und der effizienten Kapitalallokation nicht erfüllen, wenn es Manipulationen, staatlichen Anordnungen oder dem Mob unterworfen ist. Die freien Märkte sind durch Reddit/WallStreetBets geschwächt worden. Im aktuellen Umfeld könnte der nächste schwarze Schwan dem Finanzsystem noch größeren Schaden zufügen.

Reflation vs. Inflation

Seit die Demokraten die Kontrolle in Washington übernommen haben, ist in der Presse viel von Inflation die Rede. Wir halten das für unangebracht, denn es gibt einen Unterschied zwischen Reflation, also der Ankurbelung der Wirtschaft, um zu einem normalen Wachstum zurückzukehren, und übermäßiger Inflation, also einem Anstieg der Löhne und Preise. Die Grafik zeigt, dass die Inflationserwartungen einfach auf ein normales Niveau von rund zwei Prozent zurückgekehrt sind, wo sie seit Jahrzehnten liegen. Sie zeigt auch, wie die Inflationserwartungen infolge der deflationären Schocks der Finanzkrise im Jahr 2008 und der COVID-Krise im Jahr 2020 zunächst einbrachen. In beiden Krisen stiegen die Inflationserwartungen dann wieder auf die üblichen Niveaus. Gold reagiert nicht auf den Inflationsdruck, weil es noch keine Anzeichen für eine übermäßige Inflation gibt.

Inflation: Argumente dafür

  • Mangel an Arbeitskräften im verarbeitenden Gewerbe aufgrund neuer E-Commerce-Jobs mit höheren Löhnen
  • Das Ende der Billigarbeit in China und Asien im Allgemeinen
  • Die Pandemie hat die Kapazitäten in vielen Branchen reduziert
  • Die Pandemie hat auch das Tempo der Globalisierung und des internationalen Handels verringert
  • Ersparnisschwemme und Nachholbedarf werden zu einem Anstieg der Ausgaben nach der Pandemie führen
  • Die Fed wird die Zinsen keinesfalls anheben, da sonst die Gefahr besteht, dass die Aktienmärkte abstürzen und der Schuldendienst unmöglich wird
  • Die Fed hat ihre Politik so angepasst, dass die Inflation über ihrem Ziel von zwei Prozent liegen kann
  • Es ist wahrscheinlich, dass die in einem noch nie da gewesenen Ausmaß ergriffenen konzertierten fiskalischen/monetären Anreizen zu einem Inflationszyklus führen werden
  • Die letzten hiermit vergleichbaren Konjunkturmaßnahmen in den USA wurden infolge der Depression und des Zweiten Weltkriegs beschlossen, als ein Inflationszyklus einsetzte, in dem die jährliche Veränderung des VPI im März 1947 einen Höchststand von 19,7 Prozent erreichte

Inflation: Argumente dagegen

  • In der Pandemie wurden Ausgaben hauptsächlich für Güter getätigt, sodass die zukünftige Nachfrage gesättigt ist
  • Es gibt keinen Nachholbedarf bei den Dienstleistungen, nur eine Rückkehr zur Normalität; man braucht nur einen Haarschnitt oder macht auch nur eine Kreuzfahrt, aber keine fünf Kreuzfahrten
  • Hohe Arbeitslosenzahlen werden die Löhne weiter drücken
  • Der sich beschleunigende technologische Wandel wird die Kosten für Waren im Zaum halten
  • Die U.S. Federal Reserve (Fed) versucht seit über einem Jahrzehnt erfolglos, Inflation zu erzeugen
  • Übermäßige Verschuldung und eine alternde Bevölkerung werden das Wachstum bremsen
  • Millionen von Haushalten sind mit ihren Miet- und Hypothekenzahlungen im Rückstand
  • Eine Ersparnisschwemme ist Ausdruck zurückhaltender, von der Pandemie traumatisierter Verbraucher, die weniger ausgeben
  • Negative Zinsen, eine massive quantitative Lockerung und fiskalische Anreize haben in Japan seit Jahrzehnten keine Inflation ausgelöst, und seit drei Monaten befindet sich Japan
    wieder in der Deflation

Und der Gewinner ist ... Gold

Nach Abwägung der Vor- und Nachteile liefert unseres Erachtens die Geschichte den besten Leitfaden. Das Japan-Modell spricht zwingend gegen eine Inflation; das Nachkriegsmodell macht jedoch einen Inflationszyklus angesichts der beispiellosen Konjunkturmaßnahmen zum wahrscheinlichsten Ergebnis. Dies käme Gold besonders zugute, wenngleich eine Situation mit niedrigem Wachstum und niedriger Inflation reichlich Risiken birgt, die den Goldpreis sogar jahrelang steigen lassen könnten. Zu diesen Risiken gehören Schuldenprobleme, eine noch radikalere Fiskal- und Geldpolitik, eine Verschärfung der Einkommensungleichheit und soziale Unruhen.
Joe Foster ist Portfoliomanager bei dem Vermögensverwalter VanEck.

Im Artikel erwähnte Wertpapiere

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Populäre Aktien

DB Gold 2.232,90 0,00%
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