Neue Liebe zur Aktie

Ulrich Kirstein mit der Presseschau am Freitag
Ulrich Kirstein / Bild: BBAG/Killius
Nachdem es an den Börsen diese Woche eher bergab ging, erfreuten zumindest die Zahlen des Deutschen Aktieninstituts (DAI) alle Freunde der Aktie, denn die Zahl der Aktionäre ging deutlich bergauf. „Ein Land verfällt in Aktienliebe“ hieß es dazu poetisch in Die Welt. Und die Chefin des DAI, Christine Bortenlänger, schaffte es sogar in die Abendzeitung München: „Zahl der Aktionäre wächst und wächst“ hieß es da. Mehr als zwölf Millionen Aktionäre zählt das Land 2020, 2019 waren es nicht einmal 10 Millionen. Und, es sind besonders die jungen Anleger, die deutlich zulegten, beispielsweise die unter Dreißigjährigen um zwei Drittel gegenüber 2019. Bleibt zu hoffen, dass das kein kurzfristiger Hype ist, ausgelöst durch Langeweile und mangelnde Alternativen, sondern vor allem auch den langfristig minimalen Zinsen und einer vorausschauenden Vorsorge fürs Alter geschuldet ist.

Die Macht sei mit uns

Der Inhalt unserer beliebten Anlagemagazine kennt nur eine Richtung: Aufwärts. Während Börse Online uns auf Schwellenländer aufmerksam macht als „Die neue Börsen-Macht“, widmet Focus Money das ganze Heft den „Kursraketen von Morgen“ unter der Überschrift „Die unverschämt günstigen Gewinner-Aktien“. Wir sollen, so der Tipp, „lesen, staunen, kaufen!“, auf das Heft bezogen müsste es aber heißen „kaufen, lesen, staunen“!
 
Einen sehr langen Blick in die Historie unternahm Focus Money dann noch im Heft auf der Basis einer Untersuchung der Bank of England. Das Ergebnis: Die Zinsen haben sich seit dem Jahr 1317 (!) kontinuierlich nach unten entwickelt. Gut, dass unsere Vorfahren nicht alles auf die Bank legten. Dramatisch allerdings verlief der Zinsverfall vor allem im 20. Jahrhundert während der beiden Weltkriege sowie jüngst seit der Finanzkrise. Die Erkenntnis: Es gab immer wieder Rücksetzer, ob das als Trost ausreicht, bleibt allerdings die Frage.

Die Kuppel von Trade Republic

Die Vorgänge um GameStop haben vor allem einen der jüngst entstandenen Neobroker bekannt gemacht: Trade Republic. Das war der Süddeutschen Zeitung ein großes Interview mit dem Gründer Christian Hecker unter der Überschrift „Demokratisierung durch Sparen“ wert. „Das Interesse des Kapitalmarkts ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen“, so Hecker. Er verneint, dass es seinen überwiegend jungen Kunden nur um kurzfristiges Traden ginge, vielmehr setzten 80 Prozent auf ETF- oder Aktiensparpläne. Interessant: Aus seiner Verbindung eines Philosophie- und Kunstgeschichte-Studiums mit einem BWL-Studium vergleicht er die „Überwindung der Mühen des Zeitgeistes“ mit den Erbauern der Kuppel des Florentiner Doms in der Frührenaissance - damals konnte man eine so große Spannweite eigentlich gar nicht überkuppeln. Ähnlich sei es mit der Frage gewesen, einen kostenfreien und trotzdem nachhaltigen Handel zu ermöglichen. Nun, wir erinnern uns aus unserem eigenen Studium, dass es Filippo Brunelleschi war, dem es schließlich gelang, die Kuppel zu errichten, nachdem seine Pläne zuerst als „verrückt“ bezeichnet worden waren. Die Kuppel steht noch immer, seit etwa 600 Jahren!

Die fünf Weisen aus dem Wirtschaftsland

Die Bibel kam bekanntlich mit drei Weisen aus, die aus dem Morgenland kamen und ziemlich konkrete Geschenke brachten. Zumindest ist nicht überliefert, dass sich Maria und Josef Weihrauch, Myrrhe und Gold verschlossen hätten, vielleicht hat sich Josef ja mit dem Gold eine neue Schreinerwerkstatt zugelegt. Regierungen entschieden damals noch nicht über ihre Anzahl, sonst wären es vielleicht nur zwei geworden. Denn wir zählen zwar heute noch fünf Wirtschaftsweise, ab morgen sind es aber nur noch vier. Der Grund: Die Bundesregierung kann sich nicht darauf einigen, ob der Vertrag des Vorsitzenden Prof. Lars Feld verlängert wird oder nicht. „Koalitionszoff um Wirtschaftsweisen Lars Feld“ hieß es in der Börsen-Zeitung, während das Handelsblatt von „Koalitionskrach“ schrieb und dies laut Spiegel den CDU-Vorsitzenden Laschet auf die Palme brachte, der (von dort) gegen Scholz wetterte. Denn der SPD passt das vehemente Eintreten von Feld für die Schuldenbremse nicht, ein Nachfolger ist noch nicht in Sicht. Schade, in diesen Zeiten sollte es eigentlich lieber zu viel als zu wenig wirtschaftswissenschaftlichen Sachverstand geben. Auch wenn, der Kalauer sei erlaubt, die SPD der CDU das Feld nicht überlassen will.