Raketen statt Sommerloch

Ulrich Kirstein mit der Presseschau am Freitag
Ulrich Kirstein /Bild: BBAG/Killius
Beginnen wollen wir mit einer Thematik, die dieses Jahr kein Thema ist: Das Sommerloch! Es will sich einfach nicht zeigen. Vor lauter Corona, Konjunktur, Quartalszahlen, US-Wahlen und Dax-Änderungen - wenn wir einmal nur den wirtschaftlichen Teil betrachten -  schafft es das Sommerloch einfach nicht in die Schlagzeilen. Auf Twitter wurden bereits Vermisstenanzeigen aufgegeben – gemeldet hat sich aber wohl niemand. Wenn wir die Gründe für sein Verschwinden genauer betrachten, würden wir denn doch das Sommerloch vorziehen!

Kursrakete als Weckruf

Für Furore sorgte der Börsengang des Tübinger Unternehmens CureVac. Nicht nur, weil der Kurs am ersten Tag um fast 250 Prozent zulegte, sondern auch, weil einmal mehr ein deutsches Unternehmen an eine US-Börse gegangen ist. „Fulminanter Start an der Nasaq“ hieß es im Handelsblatt, das auch gleich andere deutsche Biotech-Unternehmen aufführt, die in den USA an die Börse gegangen sind, wie Biontech, Qiagen und Morphosys (Kapitalerhöhung mit Zweitlisting), um nur die größten zu nennen. Und so mahnt Siegfried Hofmann im Handelsblatt-Kommentar an: „Insofern ist der fulminante Börsenstart von Curevac nicht nur ein Ritterschlag für das Unternehmen und die deutsche Biotechbranche. Es ist auch eine Art Weckruf für Politik und Finanzmarktakteure" - damit solche Börsengänge auch in Deutschland möglich sind.

Buy, buy - noch ist nicht alles aus

Mit „Nachhaltig Geld verdienen – Ihre Chance“ und der provokanten Unterzeile „Vergessen Sie Greta – es geht um Ihr Depot“ macht Focus Money die aktuelle Ausgabe auf. Anleger sollen vom „Mega-Boom mit grünen Investments“ profitieren. Es geht weniger ums gute Gewissen als ums Geld. Bereits 2025 soll die Hälfte des professionell verwalteten Vermögens in den USA in nachhaltig angelegt sein! Die Redaktion schlägt eine Reihe von Einzeltiteln, aber auch ETFs und Fonds vor. Börse Online konzentriert sich hingegen auf den US-Wahlkampf und titelt „Buy, buy America!“ mit „sechs Gewinner-Aktien für die heiße Phase“ des Wahlkampfs. Bei Capital ist bereits die September-Ausgabe im Handel und fragt in greller Schlagzeile vor dunkel dräuendem Vorhang: „Alles ist aus?“ Gemeint sind Unternehmen, die um ihre Zukunft kämpfen. „Wie schlimm wird die Pleitewelle?“ Das Euro-Magazin für September verspricht uns auf dem Titel, reich zu werden mit Warren Buffett – aber leider nicht wie Warren Buffet!

Rakete mit roten Zahlen

Jetzt ist es also passiert und Delivery Hero ist ab Montag im Dax. In Capital war über „Der neue Dax“ zu lesen, dass dieser Leitindex lange Zeit ein Problem hatte, weil er „viel Auto, viel Banken, wenig Wachstum“ aufwies. „Der Strukturwandel der deutschen Wirtschaft ändert dies – und macht den Index auch für Anleger wieder spannend“, meint der Autor Stefan Schaaf. Ähnlich argumentiert Andrea Cünnen im Handelsblatt: Man solle das Unternehmen „nicht verteufeln“. Die Befürchtungen seien überzogen, man solle Delivery Hero eine Chance geben. Es gibt allerdings auch Stimmen, die den Titel für zu „spannend“ halten – wie schon das Beispiel Wirecard lehrte. Das Handelsblatt schreibt „Aufsteiger mit Dax-Format?“ und setzt ein Frage- und eben kein Ausrufezeichen. Die TAZ moniert, dass „Betriebsratfeinde“ dort nicht hingehören (wir finden, dass da noch ein „s“ hingehört – Betriebsratsfeinde) während die Frankfurter Allgemeine Zeitung von „Rakete mit roten Zahlen“ spricht und ausgiebig aus dem Wertpapierprospekt zum Börsengang zitiert: Durch die vielen Zukäufe gebe es eine „komplexe Organisations- und Betriebsstruktur“ heißt es da. „Box-Weltmeister“ überschreit Die Welt ihren Artikel über das Unternehmen mit dem „albern anmutenden Namen“.

Dachshund

Eine Anmerkung hätten wir noch: Focus Money widmet einen eigenen Beitrag Nebenwerten oder genauer, Fonds, die in solche Small Caps investieren. Der Aufmacher für „Kleine im Vorteil“ ist die Abbildung eines Dackels mit Stock im Maul – nicht Stocks! Ob der Redaktion dabei bewusst war, dass der Dackel als kleinster deutscher Jagdhund insbesondere zur Dachsjagd gezüchtet wurde und deshalb auch Dachshund heißt?

Mit Spatzi ist nicht zu spaßen

Nachdem wir vergangene Woche über den Markenstreit zwischen Apfel (Apple) und Birne (Prepear) berichtet haben, hat die Augsburger Allgemeine einen weiteren, etwas regionaleren Disput öffentlich gemacht: Eine Brauerei in Wunsiedel in Oberfranken hat eine Limonade unter dem Titel „Spatzi“ auf den Markt gebracht und dem Slogan "Don’t call it Spezi“. Nicht das Denglisch war das Problem, sondern die Nähe zum Spezi der bayerisch-schwäbischen Brauerei Riegele aus Augsburg. Die legte denn auch prompt Beschwerde wegen Markenrechtsverletzung bei und Spatzi flog aus den Regalen. Jetzt wird ein neuer Name gesucht!

Im Artikel erwähnte Wertpapiere

UC DAX 17.727,0099 -0,24%
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Delivery Hero 28,97 -0,45%
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CureVac 2,352 -6,67%
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BioNTech Sp ADS 80,90 0,00%
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Morphosys Sp ADR 16,90 0,00%
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