Schwarze Liste der Aktienkultur

Ulrich Kirstein mit der Presseschau am Freitag
Ulrich Kirstein / Bild: BBAG/Killius
Der Hammer der (Aktien-)Woche war selbstverständlich die – erneut – verschobene Bilanzvorlage von Wirecard sowie der Kurssturz von 62 Prozent samt heutigem Rücktritt des Vorstandsvorsitzenden. „Milliardenskandal bei Internet-Konzern“ titelte die Süddeutsche Zeitung von heute, Die Welt schrieb ebenfalls auf der ersten Seite vom „Absturz eines Börsenstars“ und die Börsen-Zeitung hielt nüchtern dagegen: „EY verweigert das Testat  - Aktie stürzt um 60 Prozent ab“. Dafür gab es noch ein Farbfoto von inzwischen Ex-CEO Markus Braun samt Kurssturzverlauf. Dieser Kursrutsch warf bei einigen Redakteuren die Frage auf, ob es überhaut schon einmal so etwas gegeben habe. Leider ja. So meldete dpa prompt die zehn größten Kursstürze der vergangenen 32 Jahre DAX: An erster Stelle liegt die Hypo Real Estate mit 73,9 Prozent Kursverlust Ende September 2008. Heute sucht man die HRE vergebens auf dem Kurszettel, Teile des Geschäftes übernahm die inzwischen wieder börsennotierte Deutsche Pfandbriefbank. An Nummer zwei dieser schwarzen Liste der Aktienkultur liegt gleich Wirecard, gefolgt von MLP mit 61,8 Prozent im August 2002, damals wegen des Verdachts der Bilanzmanipulation.

Über- oder Tiefflieger

Auf meine Schullaufbahn zurückblickend muss ich eines zugeben: ein „Überflieger“ war ich nicht gerade. Nun denn, diese Woche hat BörseOnline „Überflieger“ zur Titelgeschichte erkoren. Gemeint waren aber weder Schüler noch die Lufthansa, sondern europäische „Qualitätsaktien“, denen die Redaktion einiges an Wachstum zutraut. Mit einem Bündel 100-Euro-Scheinen machte Focus Money auf und versprach „Das überraschende Ergebnis einer Jahrhundertanalyse – 30 Minuten lesen und dann investieren“. Man erfährt dabei, dass aus einem Dollar, den man 1900 investiert hätte, 58.000 Dollar geworden wären. Aber wer hat das schon? Interessant: 1900 machte die Eisenbahn 63 Prozent des US-Börsenwertes aus, heute übernimmt Technologie mit 24 Prozent die Spitzenstellung. Obwohl bereits vor dem Wirecard-Kurssturz erschienen, titelte Das Investment in seiner Juli-Ausgabe „Tickt der Dax noch ganz richtig?“. Nach Ansicht der Autoren repräsentiert der Dax schon lange nicht mehr die deutsche Wirtschaft: „Die Kapriolen um Banken, Wirecard und die Autokonzerne stellen dem Leitindex zudem kein gutes Zeugnis aus“, so das Blatt zum deutschen „Leid-Index“. Um im Jargon von BörseOnline zu bleiben: Ein echter Tiefflieger.

Aus den Fugen?

„Das Geld ist aus den Fugen“ steht etwas kryptisch auf der Juli-Ausgabe von Capital. In unserem Badezimmer wächst leider noch kein Geld aus den Fugen, offensichtlich ist es immer noch drin. Schade. Immerhin verspricht das Heft einen „Leitfaden“, wie Anleger in dieser volatilen Situation weiterhin systematisch Vermögen aufbauen können. Sieben Regeln für Anleger stellt Redakteurin Nadine Oberhuber vor, die wir alle unterstreichen können. Wir wollen aber hier nur Regel 3 verraten, die uns besonders gefällt: „Mehr Aktien wagen“! Dass die zu den Regeln versprochenen Produkte ausschließlich Fonds sind, wundert uns dann doch ein wenig.

Der Wind dreht links

Manche Sammlungen von Literatur zitieren jeweils den ersten oder letzten Satz eines Romans, um auf dessen besondere Qualität zu verweisen. Wir nehmen „Wir kaufen Bier“ als letzten Satz des Artikels von Georg Meck, der im Titel den Grund liefert: „Ein Hoch auf die Börse, ein Prosit auf Bier-Aktien!“ Denn, so ist (nicht nur) dem Autor aufgefallen, getrunken wird immer und in Krisenzeiten ganz besonders, weshalb er sein Aktiendepot mit Bieraktien abfüllen will. Immerhin befindet sich Meck im Wettbewerb mit mehr als 1.000 Leuten, die versuchen, seine Depotentwicklung zu schlagen. Statt findet das Rennen in der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. In der gleichen Ausgabe vom 14. Juni überraschte uns die Headline „Besser linksrum“, hatten wir die Frankfurter bisher doch als eher konservatives Blatt eingeschätzt. Bei näherer Lektüre stellte sich heraus, dass Windkraftanlagen auf der Nordhalbkugel linksdrehend eine bis zu 12 prozentige Effizienzsteigerung verbuchen würden. Überraschend dabei ist, dass das weltweit forschende Heer an Ingenieuren und Wissenschaftlern, die die Luftströme minutiös messen, noch nie auf diese einfache Tatsache kam, finden die FAS-Autoren – und wir auch.

Auf nach Mallorca

Wir sind ja überaus textlastig hier bei unserer Presseschau, dabei wissen wir doch, dass ein Bild oft mehr als tausend Worte sagt. Wer zum Beispiel hätte sich vor einem halben Jahr vorstellen können, dass ein gutes dutzend Passagiere, die in eine Maschine von TUI nach Mallorca einsteigen, von mehreren dutzenden Fotografen und TV-Teams begleitet werden? Dabei handelte es sich bei den Menschen weder um die Rolling Stones noch um die Mannschaft des FC Bayern oder den Wirecard-Vorstand, sondern nur um – Touristen! Auch das machte Corona möglich. (Als nur ein Beispiel: Foto EPA in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 16. Juni).

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