Mani Schmid in Tracht, selbstverständlich mit Haferlschuh / Bild: UK
Wir haben uns in unserer jährlichen Wiesnbetrachtung – unterbrochen nur durch die beiden in jeder Hinsicht nüchternen Jahre 2020 und 2021 – regelmäßig mit diesem seltsamen Geschehen auseinandergesetzt, dass München einmal im Jahr für zwei Wochen in einen Ausnahmezustand verfällt. Über der Stadt liegt dann nicht nur ein Duft von Mandeln und schalem Bier, sondern eine unübersehbare Masse an Mensch füllt die Straßen im Trachtenlook – oder was sie halt so dafür hält. Wir haben uns über Sinn und Zweck der
Tracht als Ganzes (2013) ausgelassen, um uns dann einzelnen Kleidungsstücken zuzuwenden: Dem
kleinkarierten Wiesnhemd (2014), dem (überflüssigen)
Halstuch (2015),
der Hirschledernen aus Plastik(2016), dem
Dirndl kurz oder lieber lang (2018) und der richtigen
Kopfbedeckung 2022. Gut, auch das wichtigste Nahrungsmittel, das
Bier (2019) und die Beschäftigung der Stimmbänder (
Wiesnlieder 2017) haben wir nicht unerwähnt gelassen. Was fehlt also noch? Richtig, von Kopf bis Fuß stimmt nicht ganz, es fehlt zum Beispiel: Auf welchen Sohlen soll's auf die Wiesnbohlen gehen?
Sneaker im Vormarsch
Blicken wir also kurz unter die Tische im Bierzelt, fällt auf, dass gerne Turnschuhe oder neudeutsch Sneaker getragen werden. Die sind bequem und werden heutzutage ja vom Anzug bis zur Jogginghose gleichermaßen von Jung und Alt, Frau und Mann und für alle Gelegenheiten getragen – nur nicht zum Sporttreiben. Leuchtend weiß und unisex bieten sie einen merkwürdigen Abschluss unterm Dirndl oder der Lederhose, vor allem wenn die meist weniger feschen Wadeln noch durch Wadlstrümpf mühsam hervorgehoben werden. Nun gut, als Städter halten wir uns an Hubert von Goisern: „Koa Hiatamadl mog i net / Hot koane dick’n Wadln net / I mog a Madl aus da Stadt / Wos dicke Wadln hat“. Kleiner Exkurs zu Wadlstrümpf, auch Loferl genannt: Sie gehören zur kurzen Lederhose (ausschließlich!), sollten handgestrickt sein und reichten ursprünglich von unterhalb der Kniekehle bis fast zum Knöchel. Ob sie zum Warmhalten dienen oder züchtig sein sollten (nackte Beine galten als unzüchtig), ist umstritten. Die Garmischer tragen übrigens Pfousn, während Partenkirchner auf Heaslan bestehen, so ist das halt.
Der rechte Schuh
Aber was bildet den (einzig) richtigen Abschluss am Fuß der Lederhose und des Dirndls? Beim Mann ist das sonnenklar der Haferlschuh. Als typischer Arbeitsschuh gehörte er zur Standardausrüstung der Gebirgler. Als Geburtsjahr gilt 1803 und als Geburtshelfer der Oberstdorfer Schuster Franz Schratt. Bis dahin trugen die Bewohner der Bergregionen einfache Holzschuhe, die vor Dreck bewahrten, aber weniger vor Stürzen. Inspiriert hatte den Schuster der Gamshuf, den er aus Rindsleder quasi nachbaute und der so mehr Trittfestigkeit versprach. Weil er bequem und praktisch war und auch noch einigermaßen gut aussah, setzte sich der Haferlschuh im Alpenvorland rasch durch. Der aufkommende Alpinismus machte ihn weiteren Kreisen bekannt, bis nach England und Skandinavien. Das brachte ihm auch den Namen ein: Bis dahin wurden auf der Insel meist halbhohe Stiefeletten getragen und so bekam dieser beliebte Schuh die Bezeichnung „half shoe“, auf gut allgäuerisch übersetzt: Haferlschuh.
...und zum Dirndl?
Doch was trägt die Frau am Fuß, passend zum Dirndl? Neben dem beliebten Sneaker, wir hatten das schon, werden oft und gerne Wanderschuhe gewählt, die nicht nur bequem sind, sondern auch den notwendigen Halt bei so manchem Fahrgeschäft verleihen und Sicherheit vor Bier- und anderen Lachen gewähren. Ansonsten wird von Stiefeletten bis zu mehr oder weniger hochhackigen Schuhen, schlicht oder mit Edelweiß versehen und aus Veloursleder gefertigt, alles aufgeboten. Als das Dirndl noch vor allem zum Arbeiten auf dem Land getragen wurde, waren erst Holzschuhe und dann wohl Haferlschuhe auch bei den Damen zeitgemäß.
Insofern wollen wir es nicht zu eng sehen, nur scheinen uns leuchtend weiße Schuhe für einen zünftigen Wiesnbesuch eher semi-praktisch zu sein.