Flowers Forever. Blumen in Kunst und Kultur
Die eindrucksvolle Ausstellung besteht aus Gemälden, Skulpturen, Reliefs, Fotografien, Design und Mode bis hin zu Medieninstallationen mittels künstlicher Intelligenz. Wie „abgefahren und langweilig“ sei das denn, sich mit Blumen zu befassen, bekannte Roger Diederen, Direktor der Kunsthalle und gemeinsam mit Franziska Stöhr Initiator und Kurator der Ausstellung, seine Gedanken zu Beginn des Projektes. Nur um in der Folge festzustellen, wie „spannend und faszinierend“ die Beschäftigung dann doch sei – und wie vielgestaltig, gilt es, hinzuzufügen. Immerhin 1.000 Objekte wurden gesichtet, 205 Leihgaben fanden ihren Weg in die faszinierende Ausstellung.
Die Vielfalt des Blumenmotivs
Die Ausstellung ist in acht Kapitel unterteilt, die von Ökologie über Mythologie, Religionen, Kunst und Wissenschaft, Kostbarkeit, Sprachen, Repräsentation und Widerstand bis zur abschließenden Installation aus Abertausenden getrockneten Blumen der Künstlerin Rebecca Louise Law reichen, zweifellos Höhe- und Endpunkt der Ausstellung, visuell und olfaktorisch. Denn Blumen wurden nicht nur wegen ihrer Schönheit wertgeschätzt, sie dienten als Symbol und als Inhaltsstoff für Parfüm seit ältester Zeit, sie wurden als Arznei verwendet und bei religiösen Kulten eingesetzt – schmücken wir nicht noch immer unsere Kirchen zur Hochzeit, trägt die Braut einen Brautkranz und wirft den Brautstrauß?
Die Sprache der Blumen
Wir können hier nicht alle Kapitel näher beleuchten, erinnern nur daran, dass wissenschaftliche Werke bis heute Pflanzen zeichnen und nicht fotografisch widergeben, dass quer durch die Religionen Blumen wie die Lotuspflanze eine wichtige Rolle spielten und in Portugal die Nelkenrevolution ihren Namen einer Blume verdankt. Lasst Blumen sprechen – was wäre die Literatur, die Dichtung ohne Blumen? Von Ovids Metamorphosen über den Roman de la Rose des Mittelalters über die blaue Blume der Romantik bis zu den Les Fleurs de Male von Charles Baudelaire? Blumen stehen für Schönheit genauso wie für Vergänglichkeit, das Vanitas-Motiv der Stilleben ist hinlänglich bekannt, und sie werden immer wieder gezielt politisch eingesetzt.
Die Tulpomanie
Als Börsianer kennen wir den ersten dokumentierten Hype um Tulpenzwiebeln im 17. Jahrhundert. Er wird immer gerne dann zu Rate gezogen, wenn es um Börsenpsychologie und die blinde Gier der Investoren geht, die ohne Nachzudenken in Dinge (fast) ohne Wert investieren. Ein Verhalten, das uns heute genauso nahe liegt wie im 17. Jahrhundert und gegen das alle gelehrigen Bücher und mahnende Stimmen nichts nützen. Damals jedenfalls waren viel Menschen so überwältigt von den neuartigen bunten Blumen, den Tulpen, dass der Wert der Zwiebeln ins schier Unermessliche stieg, zeitweise entsprach er dem Preis eines Hauses. Kein Wunder, dass diese Manie schnell zusammenbrach, riesige Vermögen einstürzten wie Kartenhäuser. Dass auch damals mit Spott nicht gespart wurde, zeigen die beiden Bilder von Jan Brueghel und Hendrick Gerritsz Pot in der Ausstellung.
Spott und Blumen
Blumen, Blumen, Blumen
Bemerkenswert ist eigentlich vor allem, dass es sich um die erste Ausstellung handelt, die der Bedeutung von Blumen in Geschichte, Wissenschaft und Kunst von der Antike bis heute nachgeht – dabei liegt das Thema doch nahe und welche wesentlich schwieriger abbildbare Themen wurden nicht bereits in Ausstellungen gegossen? Passend zum bunten Thema sind die einzelnen Räume farbenfroh gestaltet, werden die Werke ins rechte Licht gerückt, mit der elegant zurückhaltenden, zum Betrachter sprechenden, aber nie aufdringlichen Architektur von Martin Kinzlmaier.
Lesestoff mit Leselust
Der reich bebilderte und voll Flower Power präsentierte Katalog zur Ausstellung bringt uns nicht nur die gezeigten Werke näher, sondern führt Gespräche beispielsweise mit dem Kunsthistoriker Andreas Beyer, dem Direktor des Naturkundemuseums BIOTOPIA Michael John Gorman und Gudrun Kadereit, Inhaberin des Prinzessin Therese von Bayern-Lehrstuhls für Systematik, Biodiversität und Evolution der Pflanzen. Er ist opulent gestaltet und macht Lust zum Lesen, ja, man möchte ihn gar nicht mehr aus der Hand legen (was man nun wirklich nicht jedem Ausstellungskatalog attestieren kann). In der Kunsthalle zum Mitnehmen kostet er 35 Euro - kaum soviel wie ein Blumenstrauß (Warum es so günstige Blumen im Discounter wird im Übrigen auch im Katalog besprochen!)
Bleibt uns nur, der Ausstellung möglichst viele Besucherinnen und Besucher und jenen einen möglichst großen Genuss kombiniert mit einer guten Portion Nachdenklichkeit zu wünschen. Die vorige Ausstellung, die dem in Deutschland eher weniger bekannten französischen Künstler J.R. gewidmet war, zählte laut Roger Diederen 135.000 Besucher. Mit wie vielen er für Flowers Forever rechnet, wollte der Direktor im Vorhinein nicht verraten - wir sind gespannt.
FLOWERS FOREVER. Blumen in Kunst und Kultur
3.2.–27.8.2023
Selbstverständlich werden eine Audio-Tour genauso angeboten wie Führungen und Kinderführungen, außerdem gibt es ein variantenreiches Begleitprogramm.