Italien: Märkte würden positiv auf eine große Koalitionsregierung reagieren

Mondher Bettaieb-Loriot, Vontobel
Mondher Bettaieb-Loriot / Bild: Vontobel
  • Umfragen sehen Rechtskoalition unter Giorgia Meloni vor der Italienwahl in Führung, aber  endgültige Ergebnisse der Wahlen könnten überraschen und zu einer großen Koalition führen
  • Im Fall eines Wahlsieges dürfte Meloni mögliche Haushaltsänderungen nur schrittweise vornehmen
  • Anti-Fragmentierungsinstrument der EZB begrenzt das Länderrisiko zusätzlich
Umfragen sehen vor den italienischen Parlamentswahlen am 25. September die Rechtskoalition in Führung, bestehend aus Giorgia Melonis Brüder Italiens (Fdl), Matteo Salvinis Lega und Silvio Berlusconis Forza Italia.
 
Zum jetzigen Zeitpunkt ist es schwer abzuschätzen, welche Risiken eine solche Koalition für das Land mit sich bringt. Vieles hängt davon ab, ob Meloni eine Koalition aus zwei oder drei Parteien für eine Regierungsmehrheit benötigt. Zuletzt hat sie sich mit Salvinis Lega überworfen, die sich für mehr defizit-finanzierte Ausgaben ausspricht, um dem Anstieg der Lebenshaltungskosten entgegenzuwirken. Dagegen hat Meloni einen konstruktiveren Ton gegenüber Europa angeschlagen und einen zurückhaltenderen Ansatz in Bezug auf Staatsausgaben und Haushaltsdisziplin gewählt. Für die wirtschaftlichen Aussichten Italiens wäre eine Zweierkoalition von FdI und Forza Italia vorteilhafter als eine Dreierkoalition unter Beteiligung der Lega.

Große Koalition würde Draghis Finanzpolitik fortsetzen

Das italienische Wahlsystem hat aber bereits in der Vergangenheit bewiesen, dass die endgültigen Ergebnisse unsicher sind. Es wäre daher nicht überraschend, wenn es am Ende zu einer großen Koalition käme. In diesem Fall würden die Märkte trotzdem positiv reagieren, da sie dies als Fortsetzung von Mario Draghis Finanzpolitik betrachten würden. Auf jeden Fall wird die neue Regierung nicht die nötige Zeit haben, um einen neuen Haushalt für das Jahr 2023 zu erstellen. Den Haushalt für kommendes Jahr wird vielmehr Draghi auf der Grundlage eines unveränderten Defizitziels für 2023 vorlegen. Die verschiedenen Hilfspakete, die in diesem Jahr bereitgestellt wurden, wurden durch zusätzliche Sondersteuern („Windfall taxes“) für Energieunternehmen finanziert. Dies sollte auch weiterhin der Fall sein, weshalb wir nicht mit einer weiteren Schwäche italienischer Staatsanleihen rechnen.

Aktuelle Schulden eine Herausforderung für die Regierung

Im Falle eines Sieges der Rechtskoalition dürfte Meloni versuchen, die Fiskalregeln der Europäischen Kommission zu respektieren. Ich erwarte, dass sie mögliche Haushaltsänderungen nur schrittweise vornehmen wird. So würde etwa die Einführung einer Einheitssteuer im ersten Jahr wohl „nur“ 13 Milliarden Euro kosten und damit noch die Haushaltsregeln respektieren, die darauf abzielen, den Haushaltssaldo um etwa 0,5 Prozent zu verbessern.
Die aktuelle Wirtschafts- und Schuldensituation des Landes stellt aber auf jeden Fall eine Herausforderung für die neue Regierung dar. Allerdings scheint das neue Anti-Fragmentierungsinstrument der Europäischen Zentralbank (EZB), das die fiskalischen Risiken bei steigenden Zinsen verringern soll, das staatliche Kreditrisiko unabhängig vom Wahlergebnis zusätzlich zu begrenzen. Ich stufe das Risiko eines Zahlungsausfalls von Staatsanleihen Italiens oder anderer Länder der Peripherie als sehr gering ein.
Mondher Bettaieb-Loriot ist Leiter Unternehmensanleihen bei Vontobel Asset Management