Rentenmärkte eilen den Notenbanken voraus

Michael Winkler, St.Galler Kantonalbank Deutschland AG
Michael Winkler / Bild: St.Galler Kantonalbank Deutschland AG
Obwohl sich die Märkte auch weiterhin im Spannungsfeld zwischen Inflations- und Rezessionssorgen mit einer deutlich höheren Volatilität bewegen, ist unterm Strich eine vergleichsweise freundliche Woche für die Aktienmärkte zu Ende gegangen. So hat die Nachricht über eine Wiederaufnahme der Gaslieferungen durch Russland zu einer ersten kleinen Erleichterungsrallye an den europäischen Märkten geführt und auch der lang herbeigesehnte Beginn der US-Berichtssaison ist bislang mit gemischten bis positiven Eindrücken aufgenommen worden.
 
Trotz des jüngsten Höhenflugs an den Börsen sollten Anleger jedoch bedenken, dass die anstehenden Ereignisse, allen voran die Bekanntgabe der Ergebnisse der Sitzung der US-Notenbank Fed, die Aktien- und Anleihekurse erneut in Unruhe versetzen können. Denn angesichts der für Juni überraschend hoch ausgefallenen US-Inflationsrate von 9,1 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat dürfte die Fed ihre Geldpolitik weiter straffen. Eine Erhöhung der US-Leitzinsen um 0,75 Prozentpunkte wie im Juni gilt inzwischen als sicher, wobei auch eine Anpassung um sogar 1,0 Prozentpunkte von mehreren Experten nicht mehr völlig ausgeschlossen wird. Hinzu kommt, dass vor allem in Europa die Veröffentlichung von wichtigen Konjunkturdaten und Inflationszahlen ansteht.

Rentenmärkte reagieren auf die konjunkturelle Entwicklung

Mit Blick auf die Anleihemärkte zeigt sich derweil, dass die Renditen von 10-jährigen US-Treasuries von ihrem Hoch von 3,5 Prozent im Juni auf mittlerweile unter 3 Prozent zurückgefallen sind. Damit reagieren die Rentenmärkte wieder einmal schneller auf die konjunkturelle Entwicklung, als die US-Notenbank Fed. Zwar wird der Zinserhöhungszyklus in den USA wohl noch einige Monate dauern. Doch ist dieser bereits jetzt nach oben hin begrenzt, da bei einer Verschlechterung der Konjunkturdaten die Fed ihren geldpolitischen Kurs wohl kaum fortsetzen können wird.
 
Angesichts der auch im Euro-Währungsraum seit Monaten deutlich höher ausfallenden Inflation ist inzwischen auch die Europäische Zentralbank EZB in Aktion getreten und hat mit einem Zinsschritt von 50 Basispunkten die erste Zinserhöhung seit elf Jahren vollzogen. Dies kam für viele Marktteilnehmer allerdings überraschend, da lediglich mit einer Zinserhöhung von 25 Basispunkten gerechnet wurde. Außerdem hat der EZB-Rat am vergangenen Donnerstag einstimmig mit dem Transmission Protection Instrument (kurz TPI) ein neues Kriseninstrument beschlossen, das gezielte und unbegrenzte Anleihekäufe einzelner Länder ermöglichen soll, deren Refinanzierung durch einen steigenden Leitzins in der Währungsgemeinschaft möglicherweise in Gefahr gerät. Damit möchte die EZB die Spannungen in der Währungsunion eindämmen und eine Neuauflage der Euro-Krise verhindern.

Die Augen richten sich auf die Fed

In diesem Gesamtkontext sind die Augen der Marktteilnehmer einmal mehr auf die US-Notenbank Fed gerichtet, wobei eine weitere Zinserhöhung in den USA den Markt vorerst nicht mehr erschrecken sollte. Gleiches gilt auch für das mögliche Eintreten einer Rezession in Europa und / oder den USA, zumal diese in den Aktienkursen inzwischen eingepreist ist. Als spannend dürfte sich dagegen die weitere konjunkturelle Entwicklung in Europa und den USA in den nächsten Monaten erweisen, wobei hier vor allem die Unternehmensergebnisse für das dritte Quartal im Vordergrund stehen werden.
Michael Winkler ist Leiter Anlagestrategie bei der St. Galler Kantonalbank Deutschland AG
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