Dr. Johannes Mayr / Bild: Eyb & Wallwitz
Auf ihrer heutigen Sitzung hat die EZB die Leitzinsen um 50 Basispunkte angehoben und damit die Zeit der Negativzinsen beendet. Gleichzeitig hat sie weitere Zinsschritte angekündigt und einen unbegrenzten Rettungsschirm für fiskalisch angeschlagene Mitgliedsländer aufgespannt. Ein mutiger Kompromiss mit erheblichen ökonomischen und politischen Kosten. Und das Rezessionsrisiko für den Euro-Raum bleibt hoch. Ähnlich dem US-Markt könnte in Europa bald über eine Inversion der Zinskurven diskutiert werden.
Auf ihrer heutigen Sitzung hat die EZB ihre Leitzinsen um 50 Basispunkte angehoben. Der zentrale Einlagenzins liegt damit erstmals seit Frühjahr 2014 wieder bei 0 Prozent. Die Zeit der Negativzinsen ist in Europa (vorerst) vorbei. Mit Blick auf die kommenden Monate hat die EZB weitere Zinsschritte angekündigt und will rein datenabhängig agieren. Das spricht für mehr Volatilität der Zinserwartungen. Denn die Inflationsentwicklung wird in Europa besonders stark durch externe Faktoren getrieben. Mit Blick auf die Zinsen haben sich die Falken im Rat durchgesetzt. Mit Blick auf die Risikoprämien dagegen die Tauben. Denn die EZB hat zeitgleich ein unbegrenztes neues Kaufprogramm (Transmission Protection Instrument, TPI) beschlossen, um einen „ungerechtfertigten“ Anstieg von Risikoprämien zu verhindern. Offiziell soll damit sichergestellt werden, dass die geldpolitischen Impulse in allen Mitgliedsstaaten in ähnlicher Weise ankommen.

Aussichten für Anleger

Mit der Entscheidung ist der EZB-Rat in beiden Bereichen über die Erwartungen hinausgegangen. Auf der Zinsseite folgt die EZB dem Vorbild der FED und startet mit ungewohnt aggressiven Straffungsschritten, um die Inflationserwartungen unter Kontrolle zu bringen. Gleichzeitig erhöht die EZB ihren Einsatz, um die Kollateralschäden der Straffung in den fiskalisch schwächeren Mitgliedsstaaten zu begrenzen. Kurzfristig sind das positive Signale für die Währungsunion und damit Anleger im Euro-Raum. Der Kompromiss birgt aber hohe ökonomische und politische Kosten für alle Beteiligten. Für den Finanzmarkt bleibt entscheidend, wie weit die Straffung der Leitzinsen am Ende gehen wird. Das niedrige Wachstumspotenzial und die hohe Verschuldung vieler Euro-Länder sowie die erheblichen konjunkturellen Risiken legen nahe, dass der Zinsgipfel weit unterhalb des US-Niveaus liegen wird. Ähnlich dem US-Markt könnte in Europa deshalb früh über eine Inversion der Zinskurven diskutiert werden.
Dr. Johannes Mayr ist Chefvolkswirt der Eyb & Wallwitz Vermögensmanagement GmbH, einer der größten in Deutschland für die Finanzportfolioverwaltung zugelassenen unabhängigen Verwaltern mit Sitz in München und Frankfurt.