Rezession könnte Chancen für Aktienanleger verbessern

Carsten Mumm, DONNER & REUSCHEL
Carsten Mumm / Bild: DONNER & REUSCHEL
Unternehmensstimmungsindizes, wie der ifo-Geschäftsklimaindex für Deutschland oder die global für verschiedene Regionen erhobenen Markit-Einkaufsmanagerindizes zeichnen derzeit ein einheitliches Bild: Die Wirtschaftsdynamik schwächt sich im Sommer deutlich ab. Sowohl im Verarbeitenden Gewerbe als auch im Handel und in der Baubranche verharren die Geschäftserwartungen auf sehr niedrigen Niveaus. Neben den bekannten Lieferkettenproblemen und Kostenexplosionen belastet auch ein sinkender Auftragseingang die Perspektiven. Zudem können gestiegene Kosten nur noch in geringerem Ausmaß an Endverbraucher durchgereicht werden, da deren Budgets durch die stark steigenden Lebenshaltungskosten begrenzt sind. Gerade in der deutschen Industrie wirft auch eine möglicherweise drohende Gasknappheit ihre Schatten voraus.

Gas-Rationierungen führen zur Rezession

Sollte es zu Gas-Rationierungen im Winterhalbjahr kommen, wäre spätestens dann eine Rezession in Deutschland nicht mehr vermeidbar. Nur ohne dieses Szenario und ohne Corona-Restriktionen ab Herbst könnte mit Unterstützung des noch vergleichsweise stabilen Dienstleistungssektors ein leicht positives Wachstum erhalten bleiben. Sehr deutlich wird der wirtschaftliche Bremseffekt derzeit auch in den USA, wo neben der hohen Inflation vor allem die bereits stark gestiegenen Zinsen die private Konsumnachfrage drücken. Letztlich kann aber genau dieser leichte wirtschaftliche Abschwung einigen Druck aus dem hochkochenden Inflationskessel ablassen.

Positive Folgen einer Rezession

Eine geringere Nachfrage entlastet angespannte Lieferketten und relativiert zu geringe Produktionskapazitäten bei vielen Rohstoffen. Zudem wird der vor allem in den USA stark gestiegene Lohndruck abnehmen. Erste Unternehmen berichten bereits, dass freie Stellen wegen der unsicheren Geschäftsaussichten nicht mehr nachbesetzt werden. Damit entsteht die Möglichkeit, dass die Inflationsraten nicht nur kurzfristig ihren Höhepunkt überschreiten, sondern im zweiten Halbjahr sogar stärker als derzeit erwartet nachgeben könnten. Daraus resultierender, etwas geringerer Leitzinserhöhungsdruck wiederum wäre positiv für die Aktienmärkte, wie schon die ungewöhnlich gute Wertentwicklung von US-Technologieaktien in der letzten Woche gezeigt hat. Solange keine lang anhaltende und tiefe Rezession wahrscheinlich ist, eröffnen sich für Aktienanleger gute Chancen auf eine bessere Kursentwicklung im zweiten Halbjahr.
Carsten Mumm ist Chefvolkswirt der Privatbank DONNER & REUSCHEL. Er ist verantwortlich für die Erstellung der Konjunktur- und Kapitalmarktprognosen sowie der kapitalmarktrelevanten Publikationen. Zuvor verantwortete er die Vermögensverwaltung für private und institutionelle Kunden, das Management von Spezial- und Publikumsfonds sowie die hauseigenen Research-Tätigkeiten. Der gelernte Bankkaufmann und studierte Diplom-Volkswirt ist seit 1998 im Bereich Kapitalanlage beschäftigt. 2006 qualifizierte er sich zum Chartered Financial Analyst.