Carsten Mumm / Bild: Privatbank DONNER & REUSCHEL
Die neuesten Datenveröffentlichungen zur Inflation machen zwar keine Hoffnung auf zeitnah fallende Preissteigerungsraten, aber doch auf einen weniger steilen Anstieg oder sogar auf eine Trendumkehr. In den USA wurde mit 8,3 Prozent zuletzt ein im Vormonatsvergleich leicht nachgebender Wert vermeldet. Auch die Kerninflationsrate (ohne die schwankungsanfälligen Komponenten Energie und Nahrungsmittel) gab leicht nach, liegt allerdings mit 6,2 Prozent nach wie vor auf außerordentlich hohem Niveau. Das verdeutlicht, wie stark der Inflationsdruck mittlerweile nahezu alle Komponenten des der Berechnung zugrundeliegenden Warenkorbes erfasst hat.
Lohn-Preis-Spirale wird angworfen
Dazu passt beispielsweise, dass
Microsoft
ankündigte, seinen Mitarbeitern deutlich höhere Gehälter und ggf. Boni
zu zahlen, um im verschärften Wettbewerb um qualifiziertes Personal
nicht ins Hintertreffen zu geraten. Die Lohn-/Preisspirale ist in den USA also offensichtlich. In der Eurozone und Deutschland stiegen die Inflationsraten im April zwar erneut auf 7,5 bzw. 7,4 Prozent an, allerdings hat die Geschwindigkeit des Preissteigerungen deutlich abgenommen. Trotzdem zeigen auf hier eine Kernrate der Inflation in der Eurozone auf einem Mehrjahreshoch in Höhe von 2,9 Prozent sowie für Deutschland im jeweiligen Vorjahresvergleich mit einem Rekordanstieg vermeldeten Erzeuger- und Großhandelspreise, das der erhöhte Preisdruck mittlerweile ebenfalls alle Produktkategorien betrifft.
Wachstumserwartungen schrumpfen
Gleichzeitig werden aber auch weiterhin die Wachstumsprognosen nach unten angepasst, für die EU und die Eurozone zuletzt vonseiten der EU-Kommission auf nur noch jeweils 2,7 Prozent für 2022. Auch in den USA und vor allem in China wurden die Wachstumserwartungen deutlich nach unten korrigiert. Zusammen mit den seit März, unter hohen Schwankungen und auf hohem Niveau, aber doch immerhin seitwärts verlaufenden Rohölnotierungen und teilweise stark gefallenen Preisen für Industrierohstoffe wie
Platin,
Palladium oder Aluminium deutet sich damit zunächst ein nachlassender Preisdruck ab und die Inflationsspitze dürfte in vielen Industriestaaten erreicht sein.
Phase der Neuorientierung an den Aktienmärkten
Nur eine massive Eskalation des Ukrainekonflikts, vor allem ein
möglicher Gaslieferstopp von Russland nach Europa würde die Inflation
noch einmal deutlich anheizen. An den internationalen Börsen kehrt damit
auch langsam die Einsicht ein, dass die Zinserhöhungserwartungen vor
allem in den USA überzogen waren. Es spricht daher viel dafür, dass die
Phase der massiv negativen Kursentwicklungen über nahezu alle
Anlageklassen hinweg in eine Phase der Neuorientierung mündet mit
zumindest kurzfristig nicht weiter steigenden Zinsen und einer Erholung
bei Aktien sowie für den Euro. Wichtigste Einflussfaktoren bleiben dabei
die Entwicklung der Corona-Pandemie in China sowie die weiteren
Auswirkungen des Ukrainekonfliktes
Carsten Mumm ist Chefvolkswirt der Privatbank
DONNER & REUSCHEL.
Er ist verantwortlich für die Erstellung der Konjunktur- und
Kapitalmarktprognosen sowie der kapitalmarktrelevanten Publikationen.
Zuvor verantwortete er die Vermögensverwaltung für private und
institutionelle Kunden, das Management von Spezial- und Publikumsfonds
sowie die hauseigenen Research-Tätigkeiten. Der gelernte Bankkaufmann
und studierte Diplom-Volkswirt ist seit 1998 im Bereich Kapitalanlage
beschäftigt. 2006 qualifizierte er sich zum Chartered Financial
Analyst.