Chinas Covid-Politik gefährdet die Märkte

Till Christian Budelmann, Bergos Privatbank
Till Christian Budelmann / Bild: Bergos Privatbank
Die Unsicherheiten an den Kapitalmärkten sind extrem In den USA hat der Kampf gegen die Inflation begonnen. Wir rechnen zwar mit fallenden Teuerungsraten, eine niedrige Inflationsentwicklung wie im vergangenen Jahrzehnt dürfte jedoch passé sein. Der Krieg in der Ukraine stellt insbesondere Europa vor Herausforderungen, die Lockdowns in China führen weltweit zu starken Störungen in den Lieferketten. Anleger sind gleichzeitig mit fallenden Aktien und Anleihen konfrontiert und mit Strafzinsen auf Cash. Alternative Investments können Verluste mildern. Der Blick nach vorn zeigt: Aktien bleiben der Renditebringer, Anleihen könnten erst ab einem späteren Zeitpunkt wieder wichtiger im Portfolio werden.
Nach der wirtschaftlichen Erholung im Anschluss an das Überschreiten des Corona Tiefpunktes rückt in der westlichen Welt nun das Thema Rezession in den Fokus. Wir erwarten insgesamt keinen tiefen Einbruch. In der Eurozone könnte es jedoch zu einer technischen Rezession kommen, die Wirtschaftsleistung also in zwei Quartalen in Folge rückläufig sein. Die USA dürfte hieran knapp vorbeischrammen. Für das Gesamtjahr 2022 rechnet Bergos für beide Regionen mit einem Wachstumsplus von gut 2 Prozent und für die Weltwirtschaft von 2,5 bis 4 Prozent.
 
Mehr Sorge bereitet die Inflation. Die Lockdowns haben zu Störungen in den Lieferketten geführt und belasten weiterhin die Angebotsseite. Und die russische Invasion in die Ukraine hat die Energiepreise weiter angeheizt. Die derzeit extremen Werte von rund 7 bis 9 Prozent Teuerung gegenüber dem Vorjahresmonat sollten jedoch bald etwas zurückgehen. Die US-Notenbank Fed hat einen aggressiven Zinserhöhungskurs gestartet. Elf Schritte à 25 Basispunkte, von denen bereits drei erfolgt sind, werden für 2022 erwartet, teilweise in Form von Doppelschritten. Allerdings wird die Inflation nicht wieder auf die für Investoren so bequemen Werte von 0,5 bis 2 Prozent sinken, wie wir sie aus dem vergangenen Jahrzehnt kennen. Stattdessen erwarten wir, dass sich die Inflation infolge von Zweitrundeneffekten bei 3 bis 5 Prozent verfestigt.

China ist ein weiterhin unterschätzter Risikofaktor

Dazu dürfte auch die chinesische Politik beitragen, die wir als das derzeit für Wirtschaft und Kapitalmärkte größte Risiko weltweit einschätzen. Damit meinen wir nicht nur regulatorische Vorgaben, die schon im vergangenen Jahr zu spürbaren Risikoabschlägen bei chinesischen Aktien geführt haben Wir meinen vor allem die Null Covid Politik. Die damit verbundenen regionalen Lockdowns, insbesondere die Lage in Shanghai, verschärfen die Lieferkettenproblematik deutlich. Es war erstaunlich, dass die Märkte lange auf die bedrohlichen Nachrichten aus China kaum reagiert haben, das hat sich zuletzt jedoch geändert.
 
Während der Krieg in der Ukraine vor allem die europäische Wirtschaft belastet, sind Lieferkettenstörungen ein globales Problem, das auch die USA trifft, deren wirtschaftliches Wohlergehen wiederum ein wichtiger Faktor für die globalen Aktienmärkte ist. Wir hoffen, dass sich die Lockdown Problematik nicht verschärft Zuversichtlich stimmt uns aktuell nur, dass Präsident Xi Jinping auf dem Parteitag im November sicherlich einigermaßen gute Wirtschaftsaussichten für sein Land präsentieren will.

Cash ist keine Alternative, Kapital bleibt in Vermögenswerten

Die vielen Unsicherheitsfaktoren wie Inflation, schwächelnde Wirtschaft, Ukraine und China haben auch an den Kapitalmärkten ihre Spuren hinterlassen. Die Lage ist aus Multi-Asset-Sicht extrem. Sowohl die wichtigen Aktienindizes als auch der globale Anleihemarkt befinden sich in einem prozentual zweistelligen Drawdown. Das gab es in den vergangenen 45 Jahren noch nie, die Entwicklung der beiden Anlageklassen hat sich stets besser ausbalanciert. Hinzu kommt, dass Cash vor dem Hintergrund der hohen Inflation und gleichzeitig weiterhin erhobenen Strafzinsen für viele Anleger keine Alternative darstellt. Das Kapital dürfte daher mittelfristig in Vermögenswerten investiert bleiben.
 
Tatsächlich ist der aktuelle Rückgang an den Aktienmärkten zwar signifikant, bei den derzeitigen Belastungsfaktoren und den großen Unsicherheiten aber nicht unverhältnismäßig stark ausgeprägt. Es gilt, diesen auch vor dem Hintergrund der insbesondere in den USA starken Performance im Jahr 2021 zu bewerten. Gemäß ihrer Hausmeinung hat die Privatbank Bergos bereits das gesamte Jahr die Assetklasse Alternative Investments, bestehend unter anderem aus Rohstoffen, Gold und Alternative Credit übergewichtet. Aktien verharren nach einem Übergewicht 2021 im laufenden Jahr durchgehend in neutraler Position und Anleihen waren und sind untergewichtet.
 
Durch die zuletzt deutlich gestiegenen langfristigen Renditen könnten Anleihen nicht nur bald wieder stärker ins Visier der Anleger rücken, Aktien haben dadurch auch zuletzt an relativer Attraktivität eingebüßt. Der Abstand zwischen der Gewinnrendite von Aktien und der Rendite zehnjähriger Staatsanleihen ist geschmolzen und liegt global nur noch leicht über dem historischen Durchschnitt. In der aktuellen Berichtssaison liefern die Unternehmen zwar gute Gewinnzahlen, die Aussichten sind insbesondere aufgrund der Lieferkettenprobleme jedoch oftmals eher vage und vorsichtig.
 
Der einzige Faktor, der auf die kurze Sicht klar für Aktien spricht, ist das sehr schwache Sentiment. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt: Je schlechter die Stimmung, desto besser die Performance in den folgenden Monaten. Das reichtuns allerdings nicht, um Aktien ins Übergewicht zu nehmen. Die Unsicherheiten derzeit sind zu groß. Dennoch gilt auch weiterhin: Wer langfristig Rendite will, braucht Aktien.

Klare Vorherrschaft der Wachstumsaktien vorerst beendet

Regional bevorzugt man bei Bergos Aktien aus den USA und Japan, Europa bewertet man neutral, in den Emerging Markets ist man vorsichtig, insbesondere in Hinblick auf China. Bei den Sektoren werden keine extremen Schwerpunkte gesetzt, auch nicht mehr bei Technologiewerten, von denen man bei der Privatbank jahrelang ein starker Fürsprecher war. Wir haben US-Tech-Werte bereits im November 2021 von übergewichtet auf neutral heruntergestuft. Auch in Europa haben wir unser Technologie Exposure reduziert und sind hier mittlerweile untergewichtet. Im weiteren Jahresverlauf erwarten wir eine hohe Anlagestil-Volatilität, mal dürften wieder Growth Titel, mal dann doch weiterhin Value Titel besser abschneiden. Die jahrelang andauernde klare Rally der Wachstumstitel dürfte aber vorerst vorbei sein.
Till Budelmann ist Chief Investment Officer bei der Schweizer Privatbank Bergos AG. Als Kapitalmarktstratege kommentiert Till Budelmann regelmässig die Geschehnisse an den internationalen Kapitalmärkten und betrachtet diese im Kontext wirtschaftlicher und politischer Trends. Seit dem Jahr 2004 verantwortet Budelmann diverse Anlagestrategien und sitzt im Investmentkomitee des Hauses, seit 2013 ist er Managing Director.