Chinas schwächelnde Wirtschaft belastet auch Europas Aussichten

Carsten Mumm, Privatbank DONNER & REUSCHEL
Carsten Mumm / Bild: Privatbank DONNER & REUSCHEL
Ende der Woche werden in China die staatlich ermittelten April-Einkaufsmanagerindizes für das Verarbeitende Gewerbe und Dienstleistungen veröffentlicht. Beide fielen zuletzt mit 49,5 bzw. 48,8 schwächer aus und damit auch unter die wichtige Schwelle von 50 Punkten. Mit nur 48,1 Punkten fiel im März auch die Indikation des vom Wirtschaftsmagazin Caixin ermittelten Einkaufsmanagerindex, eine Umfrage unter kleineren und mittleren Unternehmen, schwach aus. Dabei fiel die Dienstleistungskomponente sogar auf 42 Punkte, den niedrigsten Wert seit  dem Ausbruch der Corona-Pandemie im März 2020. Auch in diesem Fall ist es die wirtschaftliche Schwäche auf die Pandemie zurückzuführen. Denn China kämpft gerade gegen eine neue schon Wochen anhaltende Welle steigender Neufallzahlen.

Mäßiger Erfolg bei No-Covid-Politik

Dabei ist der Schutz der chinesischen Bevölkerung vergleichsweise schlecht, denn ausgerechnet in älteren Bevölkerungsgruppen sind die Impfquoten gering. Ohnehin haben bisher nur gut 50 Prozent eine Booster-Impfung erhalten. Zudem schützen die verabreichten chinesischen Impfstoffe schlechter als westliche MRNA-Vakzine gegen die derzeit grassierende Omikron-Variante. Auch deshalb hält die chinesische Regierung an ihrer bisherigen „No-Covid-Strategie“ fest, allerdings mit mäßigem Erfolg. Während die Neufallzahlen in den Millionenstädten nur langsam sinken, machen sich die durch fehlende Konsummöglichkeiten, geschlossene Fabriken und stockende Abfertigungen an den Container-Terminals wirtschaftlichen Folgen bereits deutlich bemerkbar. Seit Anfang April ist der öffentliche Nahverkehr in Shanghai nahezu zum Stillstand gekommen, die Abfertigungsstaus in den Häfen von Shanghai, Zhejiang und anderen Städten nehmen allerdings wieder deutlich zu.

Wachstumsziel kaum erreichbar

Das Wachstum der Anlageinvestitionen und die Industrieproduktion fielen im März bereits schwächer aus als in den Vormonaten. Der Einzelhandelsumsatz sank sogar um 3,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Nach dem für chinesische Verhältnisse nur moderaten Wirtschaftswachstum im ersten Quartal in Höhe von 1,3 Prozent droht im laufenden zweiten Quartal sogar ein Null- oder Negativwachstum, womit das Wachstumsziel der Regierung für das Gesamtjahr 2022 in Höhe von 5,5 Prozent kaum noch erreichbar wäre. Für die deutsche Wirtschaft sind neben ausfallender Produktion und stockendem Absatz von Produkten in China vor allem die negativen Auswirkungen auf die ohnehin noch stark gestressten globalen Lieferketten problematisch. Die global zwangsweise auf unbewegten Schiffen nicht verfügbaren Güter dürften kurzfristig die Knappheit an Vorprodukten diverser Unternehmen noch einmal verschärfen und die Kosten zusätzlich zu den explodierenden Energie- und Rohstoffpreisen antreiben. Viele Unternehmen dürften vor diesem Hintergrund in der laufenden Quartalsberichtssaison nur vage Ausblicke mit vielen Nebenbedingungen abgeben.
Carsten Mumm ist Chefvolkswirt der Privatbank DONNER & REUSCHEL. Er ist verantwortlich für die Erstellung der Konjunktur- und Kapitalmarktprognosen sowie der kapitalmarktrelevanten Publikationen. Zuvor verantwortete er die Vermögensverwaltung für private und institutionelle Kunden, das Management von Spezial- und Publikumsfonds sowie die hauseigenen Research-Tätigkeiten. Der gelernte Bankkaufmann und studierte Diplom-Volkswirt ist seit 1998 im Bereich Kapitalanlage beschäftigt. 2006 qualifizierte er sich zum Chartered Financial Analyst.