Durststrecke für Value-Aktien geht zu Ende

Colin Graham, Robeco
Colin Graham / Bild: Robeco
Die Renaissance von Value-Aktien sollte sich fortsetzen, unter anderem aufgrund der Energiewende. Wir sehen die Abkehr von Wachstumstiteln unterstützt von steigenden Zinsen und dem Reiz des geringeren CO2-Fußabdrucks vieler Unternehmen mit Value-Charakteristik. Das Value-Segment zeigt dabei Veränderungen im Vergleich zu früheren Zyklen.
Während dem Value-Stil ein klarer Ansatz zugrunde liegt ist der Growth-Stil aus Faktorperspektive nicht definiert – er basiert auf einer Mischung von Ertragsqualität/-vorhersagbarkeit und Geschäftsmodell-Momentum für Unternehmen, die auf dem Weg zur Marktdominanz sind und ein extrem hohes Gewinnpotenzial aufweisen. Einige werden dabei zwar erfolgreich sein, doch viele scheitern auch, da ihr Geschäftsmodell anfällig ist und das „billige Geld“ knapp wird. Erinnern Sie sich noch an Titel wie Napster, Boo, Broadcast, Netscape, Bear Sterns, Pebble usw.?

Value-Segment wandelt sich

Das bedeutet nicht, dass der Value-Stil frei von Fallstricken ist. Getreu dem Motto „caveat emptor“ gilt: Vorsicht ist beim Kauf angebracht. Das offensichtliche Risiko besteht in der Value-Falle. Etwa bei Unternehmen, die sich beispielsweise nicht durch Innovationen aus einer sterbenden Branche befreien oder aus Nachhaltigkeitsperspektive am Ende vor „Stranded Assets“ stehen. Hierfür gibt es zahlreiche Unternehmens- und Branchenbeispiele wie die Kohle-, Tabak- oder die Analogfilmindustrie.
 
Wir beobachten, dass sich die Sektoren und Branchen innerhalb des Value-Segments ändern. Heute machen die Bereiche Technologie und Gesundheit 20 Prozent zahlreicher Value-Fonds aus. Wir sind fest vom Vorteil aktiven Managements überzeugt, das uns dabei hilft, diese Fallstricke zu vermeiden.

Rotation weg von Growth-Titeln begann 2020

Die Datenlage zeigt: Die Rotation weg von Growth-Titeln setzte bereits im dritten Quartal 2020 ein und ist somit nicht erst in jüngster Zeit entstanden. Finanzwerte starten ein Comeback als die US-Notenbank Fed ihre quantitative Lockerung im Anschluss an die Corona-Krise beendete und die Anleger erkannten, dass die fiskalpolitischen Anreize höhere Zinsen erforderten. Zugleich begannen die Volkswirtschaften sich wieder zu öffnen und die Arbeitsmärkte erholten sich in Richtung Vollbeschäftigung.
 
Kurz gesagt wurden die Renditekurven zunächst steiler und flachten dann gegen Ende 2021 ab. Dies sorgte für eine Aufholbewegung in einem Teil des Value-Anlagesegments, auch wenn sich die Stile Growth und Value Ende 2021 insgesamt parallel entwickelten.
 
Nachdem wachsende Inflationssorgen Anfang 2022 zu verstärkten Börsenschwankungen geführt hatten, kam es bei Value-Anlagen zu einem erneuten Aufschwung, als die Notenbanken in den USA und in Großbritannien die Leitzinsen erhöhten, um den Preisanstieg einzudämmen. Und dann fand die russische Invasion in der Ukraine statt.

Eine Führungsrolle ändert sich nur selten

Nur sehr selten ändert sich eine Führungsrolle in Bullenmärkten. Eine anhaltende Underperformance der Bullenmarkt-Champions könnte darauf hindeuten, dass schwierigere Zeiten für die Aktienmärkte bevorstehen.
 
Das Staffelholz im Value-Segment wurde an die Sektoren Bergbau und Energie übergeben, als der Konjunkturaufschwung kräftig Schub erhielt und sich nach der russischen Invasion der Ukraine die Angebotsknappheit verschärfte.

Keine „sicheren Häfen“

Multi Asset-Investoren nutzen bestimmte Anlageklassen, die als sichere Häfen gelten, um die Schwankungen der Wertentwicklung ihrer Portfolios zu dämpfen. Aus unserer Sicht haben jedoch Staatsanleihen in der gegenwärtigen Situation nicht die erhoffte Diversifikation geleistet. Das bedeutet: Die Kurse von Aktien und Anleihen haben die gleiche Richtung eingeschlagen– nämlich nach unten.
 
Der US-Dollar profitierte nicht von Zuflüssen sicherheitsorientierter Anleger. Tatsächlich wertete der Euro auf, da die Äußerung der Europäischen Zentralbank (EZB) nach wie vor auf eine Straffung der Geldpolitik analog zur US-Notenbank hindeutete. Als es zum Krieg in der Ukraine kam, legte der Dollar jedoch kräftig zu und die Marktteilnehmer bezweifelten den Gleichlauf der Geldpolitik der Notenbanken.
 
Die EZB und die Bank of Japan sind weniger imstande, die Zinsen anzuheben. Die US-Notenbank dagegen hat durch Leitzinserhöhungen einen Straffungszyklus begonnen und signalisiert, dass weitere Schritte folgen werden.

Besseres Umwelt-Profil

Wir erwarten, dass die Erholung des Value-Stils anhalten dürfte. Diese Einschätzung wurde kürzlich auch von Robecos Value-Managern in den USA, in Asien und Europa bestätigt. Die Durststrecke bei Value-Aktien geht zu Ende und wir beobachten, dass das Anlageuniversum sich von dem in früheren Zyklen unterscheidet. So können Anleger innerhalb des Value-Stils inzwischen auch IT- und Gesundheitstitel auswählen.
 
Die zuletzt tonangebenden Value-Unternehmen aus eher konventionellen Value-Sektoren verfügen über Umwelt-Fußabdrücke, die um 50 Prozent unterhalb derer der jeweiligen globalen Aktien-Benchmarks liegen. Zudem ist der Anlagestil im historischen Vergleich nach wie vor günstig.
Wir bei Robeco sind der Energiewende verpflichtet – und dazu gehört unserer Meinung nach auch eine entsprechende Ausrichtung bei Value-Anlagen. Die Dekarbonisierung im Value-Segment erlaubt es uns, die Risikoprämie des Anlagestils vollständig zu vereinnahmen und gleichzeitig unseren CO2-Fußabdruck beträchtlich zu reduzieren.
 
Aktuell erhält der Kursaufschwung Schub durch die Notwendigkeit, den Klimawandel zu bekämpfen und netto null CO2-Emissionen bis 2050 zu erreichen.
Colin Graham ist Multi-Asset-Portfoliomanager beim Asset Manager Robeco.