Deutsche Konjunktur: Stimmungseintrübung nur noch von kurzer Dauer?

Dr. Klaus Bauknecht, IKB Deutsche Industriebank AG
Dr. Klaus Bauknecht / Bild: IKB Deutsche Industriebank AG
Fazit: Die Stimmung der deutschen Wirtschaft trübt sich weiter ein. Doch die jüngsten ifo-Werte sind angesichts der sich ausweitenden vierten Pandemiewelle und nachhaltigen Kostendrucks nicht überraschend. Und auch in den kommenden Monaten ist mit einer gedämpften Stimmung der Unternehmen zu rechnen; ein leichter BIP-Rückgang im ersten Quartal 2022 ist nicht auszuschließen.

Darüber hinaus bleibt der Ausblick für Nachfrage- und Angebotsseite positiv und sollte ab dem zweiten Quartal für eine spürbare Belebung sorgen. Sollten sich die Lieferengpässe und der daraus resultierende Inflationsdruck im Verlauf von 2022 jedoch nicht legen, mag sich aufgrund einer strafferen globalen Geldpolitik ein zusätzliches Konjunkturrisiko ergeben. Aktuell erwartet die IKB im kommenden Jahr ein BIP-Wachstum in Deutschland von rund 4 Prozent
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ifo Geschäftsklima und Konjunktur – Stimmungseintrübung von kurzer Dauer?

Das ifo Geschäftsklima ist im Dezember erwartungsgemäß erneut gesunken. Das ist der sechste Rückgang in Folge. Dabei schätzten die Unternehmen sowohl ihre aktuelle Lage als auch ihre Geschäftsperspektiven schlechter ein. Die vierte Corona-Welle und die Verbreitung der Omikron-Variante sowie deren konjunkturelle Folgen für das erste Quartal 2022 belasten zunehmend den Ausblick der Unternehmen.

Einschätzung: Stimmung bleibt unter Druck

Ohne Zweifel wird sich die vierte Corona-Welle negativ auf die deutsche Konjunktur auswirken – zumindest was das Schlussquartal 2021 und das erste Quartal 2022 angeht. Doch für den weiteren Konjunkturverlauf könnten sich die vierte Welle und die Omikron-Variante sogar positiv auf die Konjunktur in den Jahren 2022 und 2023 auswirken. Denn die letzten Quartale haben gezeigt, dass eine Abschottung eines Landes keine Lösung für die Bekämpfung des Virus darstellt. Hierfür sind
Australien oder Neuseeland Beispiele. Die Lösung liegt in einer andauernden und effektiven Immunisierung bzw. einer verbesserten Widerstandsfähigkeit gegenüber schweren Krankheitsverläufen. Die vierte Welle hat die politische Hemmschwelle gesenkt, Maßnahmen für eine steigende Impfquote zu forcieren. Dies hellt den mittelfristigen Konjunkturausblick auf.

Mit einer Ausbreitung der hochansteckenden Omikron-Variante dürften die Stimmung und damit der ifo Index auch in den kommenden Monaten unter Druck bleiben, ein BIP-Rückgang im ersten Quartal des nächsten Jahres wird immer wahrscheinlicher. Danach sollte sich allerdings die Stimmung deutlich aufhellen. Allerdings könnte sich die Notenbankpolitik zu einer neuen Gefahr entwickeln. Denn legen sich die Lieferengpassprobleme und der damit verbundene Preisdruck nicht spürbar im Verlauf des nächsten Jahres, wären Notenbanken weltweit genötigt, die Konjunkturerholung zunehmend abzubremsen.

Ausblick: Die IKB erwartet ein BIP-Wachstum von rd. 4 Prozent im Jahr 2022, getrieben von vor allem einer deutlichen konjunkturellen Belebung ab dem zweiten Quartal 2022.

Ausblick: Ausgewählte BIP-Komponente

Privater Konsum
Der Ausblick für den privaten Konsum bleibt auch für den BIP-Verlauf im Jahr 2022 entscheidend. Es ist weiterhin mit einer gewissen Verzerrung bei der Konsumnachfrage zu rechnen, da sich die Auswirkungen der vierten Corona-Welle auf Dienstleistungsbranchen vor allem im ersten Quartal 2022 zeigen sollten. Nach wie vor besteht infolge des aufgestauten Sparvolumens aufgrund der beiden Corona-Jahre ein immenses Wachstumspotenzial – auch wenn die hohe Inflationsrate die reale Kaufkraft im Jahr 2022 belasten sollte. Im dritten Quartal 2021 konnte der Private Konsum im Vergleich zum Vorquartal um über 6 Prozent außerordentlich kräftig zulegen, dennoch lag das Konsumniveau immer noch 2 Prozent unter dem Niveau des dritten Quartals 2019.

Ausblick: Die IKB erwartet im Jahr 2022 ein Wachstum des Privaten Konsums von deutlich über 7 Prozent; alleine der statistische Überhang für das nächste Jahr dürfte dabei bei über 4 Prozent liegen. Für 2021 liegt die Schätzung bei einem Plus von 0,9 Prozent.
Exporte
Das Jahr 2021 war gekennzeichnet von angebotsseitigen Problemen der deutschen Wirtschaft. Lieferengpässe, fehlende Frachtkapazitäten und steigende Rohstoffpreise haben dem Wachstumspotenzial des deutschen Produktionsstandortes und damit auch der Exportwirtschaft zugesetzt. Doch während die Produktion des Verarbeitenden Gewerbes 2021 um rund 3 Prozent wachsen konnte – im November 2021 lag sie dennoch immer noch 5,5 Prozent unter dem Niveau von 2019 – haben die Exporte im Jahr 2021 im Vergleich zu 2020 um schätzungsweise fast 8 Prozent zugelegt; sie liegen aber noch rund 4 Prozent unter ihrem Vorkrisenniveau im Jahr 2019.

Auch wenn die angebotsseitigen Probleme im Jahr 2022 weiter bestehen bleiben sollten, ist dennoch in Anbetracht globaler Angebotsreaktionen von einer graduellen Auflösung dieser Wachstumsbremsen auszugehen. Vor allem die Investitionsgüterbranchen sollten von Kapazitätsausweitungen profitieren – zumindest in der zweiten Hälfte 2022. Dies sollte die Industrieproduktion stützen und damit die Exporte. Gleichzeitig bleibt die globale Fiskal- und Geldpolitik unterstützend, was die weltweite Nachfrageerholung im Jahr 2022 stärken sollte, aber auch einer deutlichen Entspannung bei den Rohstoffpreisen entgegenwirken sollte.

Ausblick: Die Exporte sollten im Jahr 2021 um geschätzte 7,9 Prozent zulegen und 2022 um 4,1 Prozent ansteigen
 
Investitionen
Das Baugewerbe hat auch in den Corona-Jahren 2020 und 2021 einen positiven Wachstumsbeitrag geleistet. Im laufenden Jahr konnte jedoch aufgrund der zunehmend fehlenden Kapazitäten und mangelnder Rohstoffe die anhaltend robuste Nachfrage nicht bedient werden; Preiserhöhungen und geringere Volumenzuwächse waren die Folge. Auch im Jahr 2022 sollte das Baugewerbe insgesamt positive Wachstumsbeiträge zum deutschen BIP leisten – wenn auch überschaubarer als in den Vorjahren.

Die Ausrüstungsinvestitionen wurden im dritten Quartal 2021 erneut deutlich zurückgefahren. Anhaltende Konjunkturrisiken sowie durch globale Lieferengpässe forcierte Überkapazitäten belasteten Investitionsentscheidungen. Deshalb liegt das Investitionsniveau noch immer klar unter dem von 2019. Kurzfristig ist in Folge der vierten Corona-Welle und anhaltender Engpässe bzw. Stimmungseintrübungen von keiner bedeutenden Erholung auszugehen. Im Verlauf des Jahres 2022 sollten die Konjunkturentwicklung aber für eine spürbare Belebung der Investitionen sorgen, zumal in den kommenden Jahren auch strukturelle Treiber wie der angestrebte Transformationsprozess hin zu einer klimaneutralen Industrie zu einer deutlich höheren Investitionsquote führen sollten.
Ausblick: Wir erwarten für 2022 einen Anstieg der Investitionen um 5,9 Prozent nach 4,0 Prozent im Jahr 2021

Branchenausblick 2022: Mehr als nur Folge von niedrigen Basiswerten?t

Das deutsche Verarbeitende Gewerbe wird das laufende Jahr mit einem Produktionsplus von rd. 3 Prozent abschließen. Damit ist der starke Einbruch aus dem ersten Corona-Jahr 2020 aber noch längst nicht aufgeholt. Zudem hat sich die Produktion aller Branchen aufgrund der weltweiten Lieferprobleme deutlich abgeschwächt; der Verlauf war abwärtsgerichtet. Mit der allmählichen Auflösung der weltweiten Lieferengpässe sollte sich die deutsche Industrie aber im Verlauf von 2022 wieder beleben. Viele Branchen dürften dann an ihr Vorkrisenniveau nahezu wieder anknüpfen. Das kräftige Plus der Automobilindustrie im Jahr 2022 ergibt sich nach wie vor aus Aufholeffekten infolge des heftigen Einbruchs. Das Vorkrisenniveau von 2019 wird dennoch um fast 20 Prozent verfehlt.
Dr. Klaus Bauknecht ist als Chefvolkswirt der IKB Deutsche Industriebank AG verantwortlich für die volkswirtschaftlichen Analysen, Prognosen und Einschätzungen der Bank und schreibt dort auch im eigenen IKB-Blog. Zudem lehrt der promovierte Volkswirtschaftler an der Nelson Mandela University in Südafrika. Zuvor arbeitete er in verschiedenen leitenden Positionen anderer Banken und im südafrikanischen Finanzministerium. Er schreibt zu aktuellen und übergeordneten Konjunktur-, Volkswirtschafts- und Marktthemen.
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