Chinesische Wirtschaft in schwierigerem Fahrwasser

Dr. Johannes Mayr, Eyb & Wallwitz
Dr. Johannes Mayr / Bild: Eyb & Wallwitz
Das Wirtschaftswachstum in China hat sich im dritten Quartal deutlich verlangsamt. Das reale Bruttoinlandsprodukt expandierte nur um 0,2 Prozent zum Vorquartal, nach einem Anstieg um 1,3 Prozent im zweiten Quartal. Damit lag die Wirtschaftsleistung noch 4,9 Prozent über dem Vorjahreswert. Deutlich bremsend wirkten im dritten Quartal die Materialengpässe und hohen Rohstoffpreise. Diese Angebotsfaktoren sollten 2022 an Bedeutung verlieren. Das Wachstum dürfte dennoch verhalten bleiben. Denn die Nachfrage wird weiter durch eine stärker auf Verteilungsaspekte ausgerichtete Wirtschaftspolitik geprägt sein.
Wie erwartet ist das reale Bruttoinlandsprodukt zwischen Juli und September nur um 0,2 Prozent zum Vorquartal gestiegen und lag damit noch 4,9 Prozent über dem Vorjahr. Die Konjunkturdynamik hat sich damit weiter verlangsamt, nachdem sich die Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte 2020 rasch von dem Einbruch durch die COVID-Lockdowns im ersten Quartal erholt hatte. Für das Gesamtjahr 2021 ist damit das bisher vom Konsens erwartete BIP-Wachstum von über 8 Prozent kaum mehr realistisch.
 
Das Q3-Ergebnis unterzeichnet die tatsächliche Dynamik dabei wohl etwas. Denn vor allem die Industrie wurde durch die stark gestiegenen Rohstoffpreise und Materialengpässe belastet. Diese Effekte sollten zum Jahreswechsel langsam an Bedeutung verlieren. Allerdings war zuletzt auch die heimische Nachfrage verhalten und dürfte dies auch in den kommenden Monaten bleiben. Denn die chinesische Administration hat die Stützung der Wirtschaft im Jahresverlauf deutlich zurückgefahren.
 
Hintergrund ist die hohe und in der COVID-Krise weiter gestiegene Verschuldung im Unternehmenssektor. Der Kreditimpuls, der wichtigste Gradmesser für die Stärke der chinesischen Binnenkonjunktur, hat nach einem Hochpunkt im Herbst 2020 zu Jahresbeginn 2021 nach unten gedreht und liegt seit April im negativen Bereich. Im September dürfte der Index nochmal deutlich gefallen sein. Eine spürbare Erholung ist wohl erst im Jahresverlauf 2022 realistisch. Für die kommenden Monate signalisiert der Indikator deutlichen Gegenwind für die chinesische Konjunktur und damit die globale Wirtschaft.

Immobilienmarkt mit Potenzial für negative Überraschungen

Weitere Risiken für die Finanzmärkte liegen im Bereich des chinesischen Immobilienmarktes, der sich in einer Konsolidierungsphase befindet und jederzeit das Potenzial für negative Überraschungen bietet. Denn mit einem Anteil von knapp 30 Prozent steht der Immobiliensektor in China für einen ungewöhnlich hohen Anteil an der Wirtschaftsleistung. Zudem blicken Investoren weiterhin mit Sorge auf die Weichenstellungen der chinesischen Politik im Bereich der Regulierung von großen Technologieunternehmen. Hinter all diesen Entwicklungen steckt die fortschreitende Transformation der chinesischen Wirtschaft von einem vor allem industrie- und investitionsgetriebenen Geschäftsmodell zu einem auf dem Konsum basierenden Modell, welches stärker auf den Wohlstand breiter Bevölkerungsschichten ausgerichtet ist. Diese Transformation geht mit einer strukturellen Verlangsamung des Wachstumstempos einher, welche vor allem für exportorientierte Unternehmen in den Fortgeschrittenen Ländern auch mittelfristig eine große Herausforderung darstellen wird.

Auf dem Weg zur größten Volkswirtschaft

Investoren sollten sich dieses Trends und der damit einhergehenden Risiken bewusst sein. Gleichzeitig dürfte China den wirtschaftlichen Aufholprozess gegenüber den USA und Europa in den kommenden Jahren fortsetzten, wenn auch in mäßigerem Tempo. Noch vor Ende der 2020er Jahre könnte das Land die größte Volkwirtschaft der Erde darstellen. Der chinesische Markt bietet damit, vor allem für längerfristig orientierte Investoren, auch weiterhin große Möglichkeiten.
Dr. Johannes Mayr ist Chefvolkswirt der Eyb & Wallwitz Vermögensmanagement GmbH, einer der größten in Deutschland für die Finanzportfolioverwaltung zugelassenen unabhängigen Verwaltern mit Sitz in München und Frankfurt.