Robust und ohne Risiko

Ulrich Kirstein mit der Presseschau am Freitag
Ulrich Kirstein / Bild: BBAG/Killius
Die IAA lenkte die Augen der Autoenthusiasten wie der Autohasser nach München, dabei hatte sich die Ausstellung doch der (überwiegend) grünen Mobilität verschrieben: „Alle unter Strom“ titelte die Süddeutsche Zeitung. Von den näher rückenden Bundestagswahlen wollen wir schweigen, die Abendzeitung München nahm Bezug auf die Börse und schrieb „Beeinflusst die Wahl die Kurse?“, während im Münchner Merkur „Schwarze Misere“ zu lesen war. Bereits Freitag vor einer Woche hatte die Deutsche Börse endgültig die neuen zehn DAX-Mitglieder bekannt gegeben. „Die größte Reform seit der Gründung“, bestätigt das Handelsblatt und unterzog die Neulinge gleich einem „Chancencheck“. Und dann war da noch die Ankündigung der Europäischen Zentralbank: „EZB drosselt Anleihenkäufe zum Jahresende leicht“ hieß es in Die Welt Online. Dieses „leicht“ muss man sicher interpretieren, schwer ist hingegen die deutsche Rechtschreibung (wir haben da Erfahrung), eindeutig wird aber ein aus zwei Substantiven zusammengesetztes Wort wie ein neues Wort behandelt, also nicht beide in den Plural gesetzt, weshalb es im Handelsblatt richtig heißt: „EZB signalisiert niedrigeres Tempo bei Anleihekäufen“. In Bayern gibt es dafür den bekannten Ausspruch, es heißt die Semmelknödel und nicht die Semmelnknödel.

Sicher

Börse Online bildet auf dem Titel ein Metallschild ab, auf dem „Robuste Riesen“ in roten Lettern prangt. Die Kanzlerkandidaten können kaum gemeint sein, die Unterzeile verrät dann auch: „Diese Aktien machen Ihr Depot krisenfest“. Die Redaktion suchte dabei „Börsengiganten“ nach Börsenwert, Umsatz und Nettogewinn. Als einziges deutsches Unternehmen konnte Volkswagen bei der Rubrik Umsatz auf Platz sieben punkten. Ebenfalls auf Sicherheit bedacht war Focus Money mit „33 Aktien praktisch ohne Risiko“. Mit ihnen sollte man das Vermögen in fünf Jahren verdoppeln können. Im Heft heißt es, diese Aktien lassen „Sie ruhig schlafen und vervielfachen dennoch Ihr Kapital“. Aber: Erst ordern, dann hinlegen! Robust und ohne Risiko, da griff das Handelsblatt gleich zu den „zehn stärksten Aktien der Welt“ auf dem Wochenend-Titel, untermalt mit einem Stier mit Sonnenbrille, in der sich Aufwärts-Kurse spiegeln. Cool, vielleicht sollten wir uns das für unsere Bulle-und-Bär-Plastik überlegen. „Bullig stark und bärig günstig“ war dann noch zu lesen.

Babbeln

Eine hübsche Alliteration brachte die Börsen-Zeitung als Ankündigung für einen bevorstehenden IPO: „Babbel büffelt Börsenvokabeln“. Hintergrund ist der anvisierte Börsengang der Sprachlern-App aus Berlin. Sie peilt einen Börsenwert von nicht weniger als 1 Milliarde Euro an und könnte damit Einhorn in alle Sprachen übersetzen. Oder doch nicht, das Unternehmen bietet Kurse für nur 15 Sprachen an, aber immerhin. Hessisch ist allerdings nicht darunter, dabei leitet sich „babbel“ vom hessischen „sprechen“ her.

Verschusseln

Zum Schluss bedienen wir uns einmal mehr nicht aus dem Wirtschafts-, sondern dem Wissens-Teil der Süddeutschen Zeitung. Es geht dabei um einen Artikel, der uns aus persönlichen Gründen besonders neugierig machte: „Warum manche Menschen zu Schusseligkeit neigen“. Der Artikel wäre allerdings auch im Politik-Teil – manche verschusseln einen Wahlkampf – oder im Wirtschafts-Teil – andere Milliarden, siehe Wirecard – gut platziert gewesen. Was wir bei der Lektüre gelernt haben: Schussel kommen alles in allem sympathisch rüber! Besonders kompetente Personen sollten sich öfters einen Kaffee über die Hose schütten, um gemocht zu werden, heißt es in dem Artikel von Charlotte Geissler weiterhin. Zumindest bei der nahe gelegene Reinigungsfirma dürfte das klappen. Wir hätten gerne noch mehr zitiert, aber wo ist jetzt der Artikel gleich wieder?