Dr. Martin Lück / Bild: BlackRock
Wer vor gut einem Jahr dachte, eine Viruspandemie sei gerecht, weil Gesundheitsrisiken gleichermaßen für arm und reich gelten, sieht sich heute eines Besseren belehrt. Selbst bei uns, in einer wohlhabenden und mit guten Gesundheitssystemen ausgestatteten Region, wird die Ungerechtigkeit der Pandemie immer greifbarer. Selbständige leider per saldo stärker als Angestellte und Beamte, in einigen Branchen stehen die Räder still, während andere sich vor Neugeschäft kaum retten können. Dramatisch wird die Ungerechtigkeit der Covid-Krise aber in der globalen Perspektive. Die verheerende Situation der Gesundheitssysteme großer Schwellenländer wie Indien und Brasilien zeigt, um wieviel glücklicher man sich schätzen kann, in einem reichen Industrieland zu leben. Zuletzt hat sich vor allem in Indien die Situation zugespitzt, und anders als in Brasilien, wo die Lage vor allem in der Amazonas-Metropole Manaus katastrophal ist, droht in Indien ein Corona-Flächenbrand im ganzen Land mit seinen gut 1,3 Milliarden Menschen.

Verschiebung der globalen Tektonik

Abgesehen vom menschlichen Leid droht die Pandemie auch das wirtschaftliche Aufschließen der Schwellenländer zu westlichen Wohlstandsniveaus um Jahre zu verzögern. Immer mehr schält sich eine Rangfolge von Ländergruppen bezüglich der erwarteten Erholung heraus. China etwa und ein, zwei weitere Volkswirtschaften in Asien, die schon vor einem Jahr die gesellschaftlichen Einschränkungen wieder lockern konnten, haben einen komfortablen Vorsprung vor der gesamten westlichen Welt. Auf Platz zwei folgen Länder wie Großbritannien und die USA, die nach desaströsem Start ihr Pandemiemanagement verbessern und dann vor allem eine aggressive, zügige Impfkampagne organisieren konnten. Sie dürften in diesem Sommer ihre Volkswirtschaften weitgehend wieder hochfahren und damit einen guten Teil der 2020 erlittenen ökonomischen Schäden wieder aufholen können. Erst auf dem dritten Rang folgen weitere westliche Industrieländer, inklusive unserer Region. Mit ihrem nahezu identischen, reichlich verhaltenen Impftempo kriecht die DACH-Region quälend langsam aus der Krise heraus, erst im Spätsommer dürfte ein so erheblicher Teil der erwachsenen Bevölkerung geimpft sein, dass an breit angelegte Öffnung zu denken ist. Bis dahin geht die Region in modifizierte Versionen von Lockdowns, in Deutschland durch die „Bundesnotbremse“ nun zunächst mit verschärften Ausgangsbeschränkungen und erneuten Schulschließungen. Damit fällt unsere Region vermutlich um ein volles Quartal hinter den angelsächsischen Raum zurück, entsprechend niedriger dürfte unser BIP-Wachstum 2021 ausfallen und umso später dürften wir das Vorkrisenniveau erreichen. Mit Blick über die Schulter erscheint dies aber geradezu als Luxusproblem. Letzter in der Kette sind nämlich ausgerechnet die Schwellenländer, und dort zudem die schwächsten Bevölkerungsteile. Gerade weil in den Elendsquartieren von Delhi, den Favelas von Rio oder den Townships von Johannesburg die Gesundheitsversorgung unzureichend, Abstand und Hygiene oft unmöglich einzuhalten und Impfungen ein ferner Traum sind, verschiebt sich die globale Tektonik, zwischen Industrie- und Schwellenländern, aber auch und gerade unter den Ländern der sogenannten zweiten und dritten Welt.

Deutschlands Politik ist ungewöhnlich interessant

Mit der Kür der Kanzlerkandidaten Annalena Baerbock für die Grünen und Armin Laschet für die CDU bahnt sich ein ungewöhnlich interessanter politischer Frühsommer in Deutschland an. Mit Kantar/Emnid sieht inzwischen die zweite Meinungsumfrage die Grünen vor der CDU/CSU, ein grüner Wahlsieg scheint Stand heute nicht mehr ausgeschlossen. In den nächsten Wochen wird Baerbock beweisen müssen, dass sie das Versprechen politischen Wandels konkret mit Leben, also bezahlbaren Programmvorschlägen, füllen kann, sonst könnte ihr frischer Elan Marke „New Kid on the Block“ schnell vorbei sein. Laschet wird hingegen zeigen müssen, dass er in seiner eigenen Parteifamilie mehrheitsfähig ist. Stellt sich eine Mehrheit auch der frustrierten, ihn bisher ablehnenden Söder-Anhänger doch noch hinter den NRW-Ministerpräsidenten? Falls nicht, könnte es ein Wahldebakel für die Union geben, und möglicherweise wäre ausgerechnet der dritte Kanzlerkandidat, SPD-Finanzminister Olaf Scholz, der lachende Dritte. Das wäre Ironie des Schicksals, hat sich doch Scholz im Wirecard-Skandal alles andere als mit Ruhm bekleckert.

Derweil denken große Zentralbanken immer lauter an die Zeit nach der Pandemie. Zwar vermied Christine Lagarde am letzten Donnerstag Hinweise auf eine mögliche Normalisierung der Geldpolitik nach der Pandemie, und Jerome Powell für die Fed vertröstete die Analystengemeinde ebenfalls auf den Juni-Termin, was eine klarere Perspektive betrifft. Letzte Woche ließ aber die Bank of Canada mit der Ankündigung eines Taperings ihrer Anleihekäufe (von vier auf drei Milliarden kanadische Dollar pro Woche) aufhorchen. Die Richtung ist hiermit vorgezeichnet. Sollte wie erwartet in der zweiten Jahreshälfte die Inflation kräftig anziehen, könnte es für EZB, Fed & Co. schwierig werden, so entschieden wie bisher hinter der Kurve zu bleiben.
Dr. Martin Lück ist Leiter Kapitalmarktstrategie in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Osteuropa bei BlackRock
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