Zwischen Skylla und Heuballen - der Börsenwahn
Nach dem Hoch kam die schlechte Laune, und umgekehrt
Nachdem der Dax endlich sein Allzeithoch zumindest knapp überschritten hatte, ging es auch schon wieder bergab. Dafür dürften zum einen Gewinnmitnahmen eine wesentliche Rolle gespielt haben, aber auch eine Fülle negativer Informationen, die sich in den Vordergrund geschoben haben (ob berechtigt oder nicht). Aktuell hat noch das Corona-Virus in China nachhaltig auf die Börsenlaune geschlagen. Die negativen Überschriften überschlagen sich, wir stecken im Banne schlechter Nachrichten und können wählen, ob die Welt am Klimawandel oder einer Pandemie zugrunde geht. Und wieder zeigt sich, dass die Börsen feinsinnige Seismographen der Stimmung und nicht der Fakten sind. Denn auch wenn das Coronavirus längst nicht bekämpft worden ist, zeigen die Börsenpendel wieder nach oben - bis zum nächsten Tief. Soweit, so bekannt, auch wenn es immer wieder neu erscheint.
Zurückhaltung wäre angesagt
Was also tun außer der immer wieder geforderten und so schwer durchzuhaltenden Gelassenheit? Anleger gleichen leider pubertierenden Jugendlichen: Je mehr wir ihnen Moralpredigten halten, desto weniger verfangen sie. Je mehr Zurückhaltung von den Anlegern gefordert ist, desto heftiger wird die Panik oder die Gier ausfallen. Aktuell nimmt die Volatilität wieder zu und das bedeutet Chancen und Risiken werden größer. Deshalb, lassen Sie sich von den schlechten Nachrichten nicht verleiten, sich zu schnell von ihren Depotwerten zu trennen – und umgekehrt, nutzen Sie nicht jedes Allzeithoch zum Verkauf, auch wenn die Gewinne dazu verleiten mögen.
Schwere Entscheidungen
Letzten Endes, und das mag tröstlich erscheinen oder nicht, ist das aktive Handeln mit Aktien immer ein Lavieren zwischen Skylla – dem vorzeitigen Verkauf – und Charybdis – dem zu späten Verkauf. Und beim Kauf, um ein weiteres Bild zu verwenden, finden Sie sich auf Seiten von Buridans Esel zwischen zwei schmackhaften Heuhaufen wider: Die Entscheidung, ob Sie Aktie A oder Aktie B kaufen sollen, nimmt Ihnen niemand ab.
Schlauer Odysseus, armer Esel
Ein kleiner Tipp: Odysseus löste das Urbild eines Dilemmas zwischen der menschenfressenden Skylla und der ganze Schiffe in die Tiefe ziehenden Charybdis, indem er möglichst nahe an Skylla vorbeiruderte, um den Preis von sechs seiner Gefährten allerdings, die gefressen wurden. Dafür ruderten die anderen verständlicherweise umso schneller. Den Rat, so zu navigieren, hatte ihm übrigens die Göttin Athene gegeben. Mit der will ich mich nicht messen, aber eines ist sicher, es geht auch an der Börse nicht ohne schmerzliche Verluste, wenn man gewinnen will. Ach ja, da wäre noch Buridans Esel. Weil beide Futtermittel gleich schön, gleich groß und gleich weit von ihm entfernt sind, verhungerte er schließlich, weil er sich nicht entscheiden konnte. Neudeutsch würden wir das heute als typischen Deadlock bezeichnen. Mit scheint der Esel aber das augenscheinlichere Bild zu sein, das man nicht zum Vorbild nehmen sollte.
Der Artikel erschien zuerst in der Februarausgabe des Nebenwerte Journal