Wolfgang Fickus, Comgest

WIE UNTERNEHMENSÜBERNAHMEN WERT SCHAFFEN

Die Aussicht auf eine Lockerung der Kapitalmarktregulierung durch die neue US-Regierung sorgte an den Märkten zum Jahresstart einerseits für Optimismus. Andererseits haben die jüngsten starken US-Arbeitsmarktdaten neue Zinsängste geschürt, was die globalen Börsen zuletzt unter Druck setzte. Ein zusätzlicher Rückenwind für Unternehmensfusionen und -Übernahmen (M&A) könnte ausbleiben. 2024 hatten die globalen Aktivitäten im zweiten und dritten Quartal deutlich angezogen, für 2025 wurde bisher ein weiterer Anstieg erwartet. Auch in Deutschland rechnen rund 85 Prozent der Unternehmen in diesem Jahr mit einer Belebung des M&A-Marktes. Welche Aspekte sind aus Investorensicht entscheidend, wenn Unternehmen auf Shopping-Tour gehen?

Wolfgang Fickus, Comgest

Geopolitische Spannungen und eine zunehmend protektionistische Handelspolitik, insbesondere in den USA, haben den Druck auf europäische Unternehmen erhöht, ihre Geschäftsmodelle global zu diversifizieren. M&A ist dabei die Königsdisziplin, die sich als wertvolles strategisches Instrument für nachhaltiges Wachstum erweisen kann – wenn die Integration gelingt und langfristige Synergien geschaffen werden. In unserer Strategie „Comgest Growth Europe Compounders“ investieren wir in Unternehmen, die teilweise seit über 100 Jahren erfolgreich am Markt aktiv sind. Sie wachsen überwiegend organisch, aber M&A dient von Zeit zu Zeit als willkommener Wachstumsbeschleuniger – und für uns zudem als wertvoller Lackmustest für das Investitionsgeschick. Denn M&A erfolgreich zu gestalten gelingt nur ganz wenigen Unternehmen.

Wachstum beginnt bei der Innenfinanzierungskraft

Um erfolgreich zu sein, nutzen diese Unternehmen („Compounders“) ihre außergewöhnlich starke Innenfinanzierungskraft. Die Free-Cashflow-Margen der Unternehmen im „Comgest Growth Europe Compounders“ waren im vergangenen Jahrzehnt im Durchschnitt fast dreimal so hoch wie im MSCI Europe ex Financials. Ihre Unternehmensgröße ermöglicht Synergien, die kleineren Unternehmen verwehrt bleiben. Unabhängig von der Lage der Kapitalmärkte verschafft ihre große Finanzkraft Zugang zu attraktiven Wachstumsmöglichkeiten. Das ist entscheidend, da der M&A-Markt prozyklisch ist. Die meisten Unternehmen sind auf hohe Aktienkurse angewiesen, um Übernahmen zu finanzieren, was oft zu überteuerten Akquisitionen führt. „Compounders“ hingegen können wachsen, ohne die Verschuldung zu erhöhen oder den Marktzyklen hinterherzulaufen. Kluges Investieren erfordert Geduld und den Mut, genau dann zuzugreifen, wenn andere zurückhaltend sind.

Ein Beispiel ist L'Oréals Übernahme der Luxusmarke Aesop Anfang 2023 – mitten in einer Phase stark steigender Zinsen. L’Oréal bezahlte die 2,5 Milliarden US-Dollar Kaufpreis aus eigener Nettoliquidität, während das finanziell angeschlagene Unternehmen Natura sich gezwungen sah, sein Kronjuwel zu veräußern. L'Oréal nutzte die Gelegenheit, um Aesop durch seine globale Präsenz zu skalieren. Ein ähnliches Szenario zeigte sich bei der Übernahme von CeraVe. Nach dem Kauf von der finanziell schwächelnden Valeant konnte L'Oréal den Umsatz der Marke mittlerweile auf das Dreizehnfache steigern. Seit seiner Gründung hat L'Oréal ein Portfolio aus über 40 Beauty-Marken aufgebaut, das unterschiedlichste Marktsegmente abdeckt – vom Retail-Markt (z.B. Essie, NYX) über Luxus (z.B. YSL, Prada) bis hin zu Professionals (z.B. Redken, Kérastase). Dieser Ausbau hat es ermöglicht, über Jahrzehnte hinweg nachhaltiges Gewinnwachstum zu erzielen.

Gezielte Akquisitionen statt riskanter Transformation

Weitere Aspekte sind, dass überschaubare Akquisitionen die langfristige Strategie unterstützen, klar in das bestehende Geschäftsmodell passen und gezielt Synergien schaffen sollen. „Transformatorische M&A“-Projekte, die kurzfristiges Wachstum erzeugen und Integrationsrisiken bergen, sind hingegen sehr risikoreich. Warum sollten Unternehmen, die in ihrem Kerngeschäft über Jahrzehnte erfolgreich Wert geschaffen haben, radikale Veränderungen über Nacht anstreben? Ein warnendes Beispiel ist die Übernahme von Monsanto durch Bayer im Jahr 2018. Die angestrebte Transformation führte zu einer enormen Verschuldung und beeinträchtigte die Unternehmensentwicklung langfristig – der Börsenwert sank von 120 Mrd. Euro im Jahr 2018 auf zuletzt rund 20 Mrd. Euro. Für uns war das Risiko früh erkennbar, weshalb wir uns bereits 2016 von unserer Bayer-Beteiligung trennten.

Die Brücke in neue Märkte

Die Akquisitionsstrategie von Assa Abloy verfolgt das Ziel der Diversifikation und der Erschließung neuer Märkte. Das schwedische Unternehmen, das 1994 selbst aus einer Fusion hervorging, bietet ein umfangreiches Portfolio an Schlössern und Sicherheitslösungen, darunter digitale Schlösser, Etiketten und automatische Zugangssysteme. Seit 2018 hat Assa Abloy mehr als 100 kleinere Unternehmen übernommen und in seine langfristige Strategie integriert. Als Marktführer konsolidiert das Unternehmen den sehr fragmentierten Sektor. Die Übernahmen haben es Assa Abloy ermöglicht, neue Vertriebsregionen wie die USA und Brasilien zu erschließen, das Produktportfolio zu erweitern und durch das globale Vertriebs- und Produktionsnetzwerk kontinuierlich Kosten- und Umsatzsynergien zu realisieren.

Andere Unternehmen nutzen Übernahmen, um sich gezielt weiterzuentwickeln. Die französische Schneider Electric, ursprünglich vor über 180 Jahren als Bergbauunternehmen gegründet, ist ein Paradebeispiel dafür. Durch Akquisitionen wie den Steuerungstechnik-Hersteller Square D (1991), den Spezialisten für Industrieautomatisierung Telvent (2011) und das Softwareunternehmen Aveva (2017) hat sich Schneider Electric zu einem führenden Anbieter von Turnkey-Lösungen im Energiemanagement entwickelt. Heute profitiert das Unternehmen von der globalen Nachfrage nach energieeffizienten Technologien sowie CO2-reduzierenden Lösungen und spielt auch im wachsenden US-Markt für Rechenzentren eine Schlüsselrolle.

Wolfgang Fickus

Wolfgang Fickus ist Produktspezialist bei Comgest, einer globalen Vermögensverwaltungsgruppe mit Schwerpunkt auf Aktien, die sich zu 100 Prozent im Besitz der Mitarbeiter und Gründer befindet. Diese breit angelegte Partnerschaft ist seit knapp 40 Jahren die Grundlage für einen verantwortungsvollen, konsistenten und auf Qualitätswachstum ausgerichteten Investmentansatz, der sowohl auf Industrie- als auch auf Schwellenländermärkte angewendet wird. Von seinem Hauptsitz in Paris und Niederlassungen in Europa, im asiatisch-pazifischen Raum und Nordamerika aus unterstützt Comgest Anleger auf der ganzen Welt, die den langfristigen Anlagehorizont teilen. Mehr als 200 Mitarbeiter aus 30 verschiedenen Ländern betreuen dabei einen breit gefächerten globalen Kundenstamm. Das verwaltete Vermögen beträgt rund 30 Milliarden Euro (Stand der Daten: 30. September 2024).

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Comgest Asset Management International Limited ist eine von der irischen Zentralbank beaufsichtigte Wertpapierfirma, die bei der U.S. Securities Exchange Commission als Investment Adviser registriert ist. Ihr eingetragener Sitz befindet sich in 46. St. Stephen’s Green, Dublin 2, Irland.