John Butler, Wellington Management

Trumps „Liberation Day“: Gibt es eine Verlagerung von Kapitalströmen?

Die kürzlich von Trump verhängten US-Handelszölle könnten der Startschuss für einen allgemeinen Abzug von Kapital aus den USA sein. Diese Möglichkeit steht im Mittelpunkt unserer Liberation-Day-Analyse. Zunächst gehen wir genauer auf den überraschend schwachen US-Dollar als mögliches Indiz für eine sich verändernde Wahrnehmung der USA und Europa seitens der Investoren ein.

 

John Butler, Wellington Management

Interessanterweise hat der US-Dollar, zumindest bisher, nicht von seinem traditionellen Status als ‚sicherer Hafen‘ profitiert und zeigt keinen Anstieg, wie dies eigentlich zu erwarten wäre, sondern er gibt stattdessen gegenüber den meisten Währungen nach. Dies könnte ein erstes Anzeichen sein, dass internationale Anleger ihre Haltung zu den Vereinigten Staaten überdenken.

Auf den ersten Blick würde ich die weitreichenden Handelszölle, die die US-Regierung am 2. April angekündigt hat, als wirklich richtungsweisend mit potenziell weitreichenden Konsequenzen für Risikoanlagen bezeichnen. Ich möchte aber auch darauf hinweisen, dass sich hier noch sehr viel ändern könnte. Das Ergebnis möglicher Verhandlungen und insbesondere die anhaltende Auseinandersetzung zwischen den USA und China könnten die Entwicklung kurz- und längerfristig beeinflussen. Bislang wissen wir jedoch, dass die Aussichten für das Wachstum sowohl aus US- als auch aus globaler Perspektive negativ sind und die Märkte entsprechend reagiert haben. Interessanterweise hat der US-Dollar, zumindest bisher, nicht von seinem traditionellen Status als ‚sicherer Hafen‘ profitiert und zeigt keinen Anstieg, wie dies eigentlich zu erwarten wäre, sondern er gibt stattdessen gegenüber den meisten Währungen nach.

Ein erstes Anzeichen sein, dass internationale Anleger ihre Haltung zu den Vereinigten Staaten überdenken?

Warum ist denn eigentlich so viel internationales Kapital dort investiert? Meines Erachtens liegt dies darin begründet, dass die weltweit größte Volkswirtschaft Wachstum, Erträge und Liquidität geboten hat, aber auch Sicherheit und Glaubwürdigkeit. Handelszölle belasten aber nicht nur das Wachstum auf kurze Sicht – sie verändern auch, wie internationale Anleger darüber nachdenken, was die USA zu bieten haben. Wie die US-Notenbank Fed reagiert, könnte bei dieser sich verändernden Wahrnehmung eine entscheidende Rolle spielen. Meines Erachtens versetzen die Zölle die Fed in eine schwierige Position. Der Wachstumsschock könnte Druck auf die Währungshüter ausüben, die Zinsen drastisch zu senken. Dies könnte aber die Nachfrage ankurbeln und damit auch die Auswirkungen der Zölle auf die Preise verstärken, was einen Inflationsanstieg zur Folge hätte.

Was bedeutet das für Anleger außerhalb der USA?

Aus der Perspektive eines internationalen Anlegers würde dies darauf schließen lassen, dass die USA nicht mehr den gleichen Schutz gegenüber einer steigenden Inflation bieten. Falls die Fed die Zinsen auf einem erhöhten Niveau belässt, um die über dem Zielwert liegende Inflation zu bekämpfen, wird sie einem zunehmenden politischen Druck ausgesetzt sein. Dies könnte ihre Glaubwürdigkeit untergraben, was Investoren ebenfalls negativ aufnehmen würden.

Falls die Anleger zu dem Schluss kommen, dass die USA vermutlich künftig weniger Wachstum, Erträge und Sicherheit bieten werden, könnten wir eine strukturelle Umkehr von Kapitalströmen zulasten der USA sehen. Dies würde sich auch in einem deutlich schwächeren US-Dollar und in höheren Risikoprämien niederschlagen. Dabei könnte sich immer noch sehr viel ändern – es ist beispielsweise nicht unvorstellbar, dass Präsident Trump am Ende viele dieser Zölle zurücknimmt. Gleichzeitig ist es aber kaum zu leugnen, dass sich dies wie eine Zäsur anfühlt. Meines Erachtens besteht eine echte Chance, dass wir den Startschuss für den Abfluss von Kapital aus den USA gesehen haben.

Europa kann sich nun einer proaktiven Geld- und Fiskalpolitik widmen

Die bisherige Marktreaktion deutet auch auf eine historische Veränderung der Wahrnehmung in Bezug auf Europa und insbesondere die Eurozone hin. Bisher war Europa bei einem globalen Schock eigentlich immer der Schwachpunkt, und regelmäßig wiederkehrende Zweifel an der Tragfähigkeit der Verschuldung haben die Eurozone zu fiskalpolitischen Straffungsmaßnahmen gezwungen. Bislang hat sich dieses Szenario aber nicht wiederholt. Stattdessen sehen wir einen stärkeren Euro und enge Spreads bei Staatsanleihen. Die Anleger scheinen Europa in einem völlig anderen Licht zu betrachten, seit Deutschland sich auf eine strukturelle Lockerung der Fiskalpolitik geeinigt hat. Dies bedeutet, dass Europa möglicherweise endlich in der Lage ist, die Politik proaktiv anzupassen und eine wachstumsfreundlichere Haltung einzunehmen. Ich halte dies für eine wichtige Entwicklung, die Anleger genau beobachten sollten, besonders falls dies mit einer Rückkehr des Kapitals europäischer Anleger aus den USA zusammenfällt.

John Butler

John Butler ist Makrostratege des Vermögensverwalters Wellington Management, eine der weltweit größten privaten Vermögensverwaltungsgesellschaften. Unsere Fonds bieten Vermögensverwaltern, Institutionen und Finanzintermediären Zugang zu innovativen Anlagelösungen, die von unseren vielfältig aufgestellten Investmentteams entwickelt werden. Über 875 Investmentexperten verwalten über 1 Bio. US-Dollar (30. Juni 2024)