Ulrich Kirstein, Börse München

Sorgen überwiegen nach Zolljubel

Zoll-Turbulenzen: Die deutschen Aktienbörsen haben in der vergangenen Woche eine Achterbahnfahrt erlebt, die Wochenbilanzen der wichtigen Indizes fielen uneinheitlich aus. Beherrschend war unverändert zur Vorwoche das Thema US-Importzölle, das seinerseits ein erhebliches Hin und Her bot.

Rückblick: Zolltrubel sorgt für Turbulenzen

Zu Wochenbeginn waren die deutschen Aktienindizes angesichts der angekündigten Zölle und der daraus resultierenden Sorgen um die globale Wirtschaft erheblich eingebrochen, der Deutsche Aktienindex (Dax) verzeichnete zeitweise ein Minus von rund zehn Prozent. In der Folge ließen „Schnäppchenjäger“ die Kurse dann wieder merklich steigen und eine weitere Eskalation des Zollkonflikts zwischen den USA und China diese wieder absacken, bevor die Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, die länderspezifischen Zölle mit Ausnahme die gegen China für 90 Tage auszusetzen, für einen erheblichen Schub nach oben sorgten; zwei Tage zuvor hatte das Weiße Haus eine Meldung über eine mögliche Zollaussetzung noch dementiert. Zu Ende der Handelswoche machten sich dann erneut Sorgen und Unsicherheit breit, eine weitere Eskalationsstufe im amerikanisch-chinesischen Zollkonflikt und die allgemeine Unberechenbarkeit der US-Regierung waren ursächlich.

Dax gibt nach

Der Deutsche Aktienindex (Dax) gab im Wochenvergleich letztlich um 1,3 Prozent nach auf 20.374,10 Punkte. Der MDax verbesserte sich dagegen um 1,4 Prozent auf 25.774,26 Zähler. Der TecDax reduzierte sich um 0,6 Prozent auf 3.297,43 Punkte. Der m:access All-Share sank um 1,0 Prozent auf 1.219,98 Zähler.

Größte Indexverlierer im Dax waren in der vergangenen Woche die Titel von Airbus  und Henkel  mit Abschlägen von 8,2 beziehungsweise 7,4 Prozent, an der Spitze der Gewinnerliste standen Siemens Energy und Rheinmetall mit Kursgewinnen von 9,0 beziehungsweise 6,6 Prozent. Der Kursverlauf bei den Aktien des Rüstungskonzerns verdeutlichte exemplarisch die extreme Berg- und Talfahrt der vergangenen Woche, zu Handelsstart am Montag mussten die Rheinmetall-Anleger kurzzeitig ein Minus von rund 27 Prozent verkraften.

Siemens Energy ist einmal mehr unter den Gewinnern der Woche / Bild: Siemens Energy

Anleihen: Nur moderate Änderungen

Die Kurse an den deutschen Anleihemärkten haben in der vergangenen Woche geschwankt, sich aber unter dem Strich nur moderat verändert. Die Verunsicherung in Bezug auf die US-Zollpolitik und die neuen Eskalationen im Zollkonflikt stützten die Notierungen der als sicher geltenden Bundespapier, während zwischenzeitliche Entspannungen und Trumps Ankündigung einer Zollaussetzung belasteten. Für Verunsicherung an den Anleihemärkten sorgten die steigenden Renditen US-amerikanischer Anleihen. Das Vertrauen in diese als sogenannter „sicherer Hafen“ sei erschüttert, hieß es von Marktbeobachtern. Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe sank im Wochenvergleich von 2,58 auf 2,54 Prozent. Die Umlaufrendite lag am vergangenen Freitag wie eine Woche zuvor bei 2,40 Prozent.

USA: Leichte Erholung

Die US-Aktienbörsen haben in der vergangenen Woche erheblich geschwankt, sich letztlich aber von ihren Vorwochen-Verlusten etwas erholt und merklich zugelegt. Das allesbeherrschende Thema waren auch hier die Entwicklungen im Zollkonflikt, hinter dem sowohl Konjunkturdaten als auch die startende Berichtssaison weitgehend zurücktraten. Der Dow-Jones-Index gewann im Wochenvergleich 5,0 Prozent auf 40.212,71 Punkte. Der breiter gefasste S&P-500 legte um 5,7 Prozent zu auf 5.363,36 Zähler, dies war sein höchster Wochengewinn seit November 2023. Der technologielastige Nasdaq-100 kletterte um 7,4 Prozent auf 18.690,05 Punkte.

Ausblick: Anhaltende Nervosität

Die Nervosität und Volatilität an den deutschen Aktienbörsen dürften in der aktuellen, verkürzten Handelswoche anhalten. Auch nach einer Aussetzung für 90 Tage bleibt das Thema US-Importzölle virulent, zumal sich der Zollkonflikt zwischen den USA und China immer weiter verschärft. Und auch beim Blick auf die Zölle für die restliche Welt stellen sich viele Marktteilnehmer die Frage, wie es weiter gehen wird. Generell wird gehofft, dass sich einiges auf dem Verhandlungsweg und mittels der vom US-Präsidenten geschätzten „Deals“ lösen lassen wird, wie weit diese Hoffnungen in Erfüllung gehen werden, wird sich erst zeigen müssen. Zudem sehen viele Beobachter ein wachsendes grundsätzliches Problem mit der Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit der US-Wirtschaftspolitik, das sich zuletzt auch in steigenden Renditen von US-Anleihen gezeigt hätte.

Spannung vor EZB-Sitzung

Daneben könnte in den kommenden Tagen aber auch die Geldpolitik wieder für Gesprächsstoff sorgen, wenn die Europäische Zentralbank (EZB) das Ergebnis ihrer Ratssitzung bekannt gibt. Dabei gehen viele Experten von einer Zinssenkung um 0,25 Basispunkte aus. Ob eine solche, so sie kommt, aber wie zu anderen Zeiten für einen Aufwärtsimpuls an den Börsen sorgen wird, ist angesichts der makro-ökonomischen Umstände zweifelhaft.

Auch von Unternehmensseite kommen mit der anlaufenden Berichtssaison wieder mehr Impulse, auch hier bleibt aber abzuwarten, ob diese über die jeweiligen Einzelwerte hinauswirken werden. Auf jeden Fall dürften die Anleger verstärkt auf die Ausblicke und weniger auf die vergangenen Ergebnisse achten, wenn aus den USA beispielsweise die Bank of America, Citigroup, Goldman Sachs oder Netflix Einblicke in ihre Bücher geben. In Deutschland legen unter anderem Beiersdorf und Sartorius Zahlen vor.

Insgesamt rechnen Beobachter vor dem langen Osterwochenende, an dem die Anleger nicht auf etwaige Neuigkeiten aus der US-Politik reagieren können, mit Zurückhaltung vieler Marktteilnehmer.


Ausgewählte wichtige Termine der Woche

Dienstag, 15.04.: ZEW-Konjunkturerwartungen (Deutschland); Großhandelspreise in Deutschland; New York Empire State Produktionsindex (USA); Export- und Importpreise in den USA
Mittwoch, 16.04.: Verbraucherpreise in der Eurozone; Einzelhandelsumsätze in den USA; Zinsentscheidung der Bank of Canada
Donnerstag, 17.04.: Erzeugerpreise in Deutschland; Ergebnis der Ratssitzung der Europäischen Zentralbank; Philadelphia Fed Herstellungsindex (USA)
Freitag, 18.04. (Karfreitag) 

Ulrich Kirstein

Ulrich Kirstein ist Pressesprecher und Leiter Öffentlichkeitsarbeit der Börse München. Er ist seit 2010 bei der Börse beschäftigt, zuvor war der studierte Betriebswirt und Kunsthistoriker u.a. Redakteur und Chef vom Dienst einer überregionalen Wirtschaftszeitung sowie Ausstellungskurator in München. Er ist außerdem Co-Autor von Börse für Dummies, Aktien für Dummies und Börsenpsychologie simplified.