Charudatta Shende, Candriam

Kreditmärkte: Lassen Sie sich nicht "mitreißen"

Die Kreditmärkte haben in den letzten Wochen einen Wandel vollzogen, der in erster Linie auf den Anstieg der Staatsanleihenrenditen zurückzuführen ist. Insbesondere in der europäischen Kreditlandschaft gab es bemerkenswerte Entwicklungen, da die Zinssätze im Euroraum in die Höhe schnellten, was durch die erwarteten fiskalischen Anreize Deutschlands und die zunehmende Emission von Schuldtiteln begünstigt wurde. Durch diesen Anstieg hat sich der Carry auf europäische Kredite erhöht.

Charudatta Shende, Candriam

Die Ankündigung umfangreicher öffentlicher Ausgaben und die Unterstützung von Schlüsselsektoren haben die Erwartung eines größeren Angebots an Staatsanleihen geweckt und die Renditen in die Höhe getrieben. Infolgedessen sind die Renditen von Unternehmensanleihen gestiegen und bieten den Anlegern attraktive Renditechancen. Bei einem Carry-Niveau von 3,4 Prozent für Euro-Investment-Grade-Anleihen (IG) und 5,5 Prozent für Euro-Hochzinsanleihen (HY) sind die Anleger zunehmend daran interessiert, sich diese Erträge zu sichern. Darüber hinaus stärkt die Widerstandsfähigkeit der Kreditmärkte in dieser Phase der Renditeausweitung das Vertrauen der Anleger weiter. Es bestehen jedoch nach wie vor Risiken, die sich aus der Volatilität der Märkte und der Unsicherheit auf den globalen Finanzmärkten ergeben.

Marktstabilität und neu auftretende Risiken: Ausgleichsmöglichkeiten und Vorsicht

Trotz dieser Widerstandsfähigkeit der Kreditmärkte angesichts der höheren Renditen ist weiterhin Vorsicht geboten. Die derzeitige Stabilität ist größtenteils auf günstige technische Marktbedingungen zurückzuführen, einschließlich erheblicher Mittelzuflüsse im Bereich Investment-Grade und begrenzter Emissionen im High-Yield-Segment. Diese technischen Faktoren haben bei der Eindämmung der Spread-Volatilität eine entscheidende Rolle gespielt. Diese Stabilität ist jedoch fragil. Ein Anstieg der Volatilität oder ein negativer Nachrichtenfluss könnte die Anleger veranlassen, sich aus den Kreditmärkten zurückzuziehen, was die Stabilität der Spreads in Frage stellen könnte. Ein weiterer wichtiger unterstützender Faktor war, dass die Fundamentaldaten der Unternehmen relativ stabil waren. Starke Bilanzen und niedrige Ausfallraten haben die Emittenten bis zu einem gewissen Grad vor makroökonomischen Schocks geschützt. Bislang haben die Kreditmärkte unter dem Strich positive Bewertungen erlebt, wobei eine zunehmende Anzahl von “Rising Stars” die Stärke der Emittenten widerspiegelt. Mit der Entwicklung der wirtschaftlichen Bedingungen könnte diese Beständigkeit jedoch auf die Probe gestellt werden, insbesondere in Sektoren, die stärker von Konjunkturabschwüngen oder geopolitischen Risiken betroffen sind. 

Die von der Trump-Administration verhängten Zölle haben die globale Wirtschaftslandschaft zusätzlich verunsichert. Sie haben direkte Auswirkungen auf die europäische und die globale Wirtschaft, insbesondere auf zyklische Sektoren wie den Einzelhandel und die Automobilindustrie. Abgesehen von den Wachstumsbedenken stellen die Zölle auch ein Inflationsrisiko dar, was sowohl die Federal Reserve (Fed) als auch die Europäische Zentralbank (EZB) dazu veranlasst hat, ihren politischen Kurs zu überdenken. Die EZB hat vor kurzem eine weitere Zinssenkung vorgenommen, während sich die Fed dafür entschieden hat, die Geldpolitik beizubehalten. Bleibt die Inflation hartnäckig, könnten die Zinsen länger auf hohem Niveau bleiben, was die Ausfallrisiken für schwächere Kreditnehmer erhöhen und die Refinanzierungsprobleme für Unternehmen mit hohem Fremdkapitalanteil verschärfen könnte. In diesem Umfeld steigen die idiosynkratischen Risiken, insbesondere bei schwächeren Hochzinsanleihen und anfälligen Crossover-Anleihen.

Ein vorsichtiger Investitionsansatz ist in einem solchen Umfeld unerlässlich. Schlüsselindikatoren wie Kapitalflüsse, die Rhetorik der Zentralbanken und zollbezogene Entwicklungen müssen genau beobachtet werden. Die Anleger sollten sich auf widerstandsfähige Sektoren und hochwertige Emittenten konzentrieren.

Selektivität im Investment-Grade-Segment

Innerhalb des Investment-Grade-Segments stellen Finanztitel eine attraktive Gelegenheit dar, zumal sie von einer steileren Renditekurve profitieren dürften. Wir bevorzugen nationale Champions – Institute mit starker Kapitalisierung, solider Eigenkapitalrendite (ROE) und robusten Zinsdeckungsquoten. Im Bereich der nachrangigen Anleihen halten wir an einer langfristig positiven Einschätzung fest, wobei wir darauf achten, dass die Risikoprämien die damit verbundenen Risiken angemessen kompensieren. Darüber hinaus sind defensive Sektoren wie Versorger und Telekommunikation aufgrund ihrer stabilen Cashflows und starken Kreditprofile gut positioniert, um Marktschwankungen zu widerstehen. Umgekehrt erfordern konjunktursensitivere Branchen wie Industriewerte und zyklische Konsumgüter einen vorsichtigeren Ansatz.

High-Yield: Fokus auf qualitativ hochwertige Titel in defensiven Sektoren

Auf dem Markt für Hochzinsanleihen ist ebenfalls ein selektiver Ansatz von größter Bedeutung. Die jüngste Ausweitung der Spreads bei US-Hybridanleihen hat zwar Chancen eröffnet, dennoch bleiben wir zurückhaltend. Wir bevorzugen Emittenten mit höherer Qualität und defensive Sektoren, wobei wir Branchen wie die Automobilindustrie und den Einzelhandel untergewichten, da sie anfälliger für makroökonomischen Druck sind. Nicht konjunkturabhängige Branchen wie das Gesundheitswesen und Basiskonsumgüter bieten eine relative Stabilität innerhalb des High-Yield-Bereichs. Darüber hinaus haben sich ausgewählte energiebezogene Kredite mit soliden Bilanzen und nachhaltigen Cashflows als widerstandsfähig erwiesen. Spekulativ eingestufte Emittenten mit schwachen Fundamentaldaten bleiben jedoch gefährdet, insbesondere wenn sich die Refinanzierungsbedingungen verschlechtern.

Wir plädieren für aktives Management und Selektivität

Die jüngste Entwicklung der Kreditmärkte birgt sowohl Chancen als auch Risiken. Während höhere Renditen das Carry-Potenzial erhöhen, erfordern makroökonomischer Gegenwind, anfällige technische Faktoren und branchenspezifische Schwachstellen ein vorsichtiges Vorgehen. Angesichts der Komplexität des derzeitigen Kreditumfelds ist ein aktives und selektives Management wichtiger denn je. Auf dem Markt scheint sich Selbstzufriedenheit breit zu machen, was die Notwendigkeit unterstreicht, zwischen widerstandsfähigen und anfälligen Segmenten zu unterscheiden. Durch eine rigorose Risikobewertung und die Überwachung branchenspezifischer Dynamiken und Schlüsselindikatoren können Anleger mit größerem Vertrauen und mehr Stabilität auf den Kreditmärkten navigieren. Selektivität, aktives Management, Konzentration auf hochwertige Emittenten, Flexibilität des Portfolios und Reagieren auf Marktsignale werden es den Kreditinvestoren ermöglichen, potenzielle Herausforderungen zu meistern und gleichzeitig attraktive Anlagemöglichkeiten in diesem sich wandelnden Umfeld zu nutzen.

Charudatta Shende

Charudatta Shende ist Head of Client Portfolio Management Fixed Income und Fixed Income Stratege bei Candriam. Candriam steht für "Conviction AND Responsibility In Asset Management" und ist ein globaler Multi-Spezialist Manager sowie ein anerkannter Vorreiter und eines der führenden Unternehmen im Verantwortlichen Investieren seit 1996. Mit einem Team aus über 600 Mitarbeitern managt Candriam über 155 Mrd. Euro Vermögen (31.12.2024). Das Unternehmen hat Investmentzentren in Luxemburg, Brüssel, Paris und London und betreut Kunden in über 20 Ländern in Kontinentaleuropa, im Vereinigten Königreich, den Vereinigten Staaten und im Mittleren Osten. Candriam bietet innovative Investmentlösungen in vielfältigen Kernbereichen: Anleihen, Aktien, Alternative-Strategien und Asset-Allokation. Candriam ist ein Unternehmen der New York Life Investments Company.

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