Fiskal-Bazooka - Stimmen zur Abstimmung

Der "alte", 20. Deutsche Bundestag hat mit einer Mehrheit von 513 Abgeordneten bei 207 Gegenstimmen das Fiskalpaket von CDU/CSU, SPD und Grünen abgesegnet. Damit ist ein Sondervermögen von 500 Mrd. Euro "frei" gegeben, sofern der Bundesrat am Freitag mit Zweidrittelmehrheit zustimmt, wovon auszugehen ist. Wir haben dazu einige Stimmen dazu gesammelt.

Bild: Reichstag

Stefan Keller, Candriam: Deutsche Blue Chips, Mid Caps und Industriewerte dürften profitieren

Die fiskalischen Hoffnungen in Deutschland stehen den Befürchtungen einer „Trump-Rezession“ in den USA gegenüber. Insgesamt stellen die in Deutschland beschlossenen Maßnahmen und die Vorschläge zu den Verteidigungsausgaben auf europäischer Ebene (ReArm Europe) einen willkommenen Wachstumsimpuls dar, während die drohenden US-Zölle das künftige europäische Wachstum belasten könnten.

In einer spektakulären Kehrtwende weg vom strikten Sparkurs hat Deutschland ein Infrastrukturpaket im Umfang von 500 Milliarden Euro mit einer Laufzeit von zwölf Jahren beschlossen. Das Paket konzentriert sich insbesondere auf den Schienenverkehr, die digitale Infrastruktur und die Energienetze. Dies sollte das Wirtschaftswachstum ab 2026 ankurbeln und ein günstigeres Umfeld für langfristige Investoren schaffen. Neben Blue Chips dürften auch deutsche Mid Caps und Industriewerte von der verbesserten Binnennachfrage profitieren.

Durch die Reform der Schuldenbremse in den Bundesländern dürfte die Inlandsnachfrage weiter gefördert werden. Der endgültige Beschluss erlaubt ihnen ein strukturelles Defizit von 0,35 Prozent des Bruttoinlandprodukts, was einen zusätzlichen fiskalischen Spielraum von rund 16 Milliarden Euro pro Jahr schaffen würde.

An den Staatsanleihemärkten dürften die höheren Verteidigungsausgaben lediglich ein technisches Problem für die Aufnahme zusätzlicher Emissionen darstellen und kein grundsätzliches Problem für den AAA-Status des Landes. Daher sind wir hinsichtlich der Entwicklung von Bundesanleihen optimistisch.

Stefan Keller ist Senior Asset Allocation Strategist bei Candriam

Manuel Steinbrink, apoBank: „Schwäbische Hausfrau“ hat ausgedient!

Die ‚schwäbische Hausfrau‘ hat ausgedient. Endlich steuert die Fiskalpolitik in Berlin um. Wir erleben eine Kehrtwende, die lange überfällig war. Die Schuldenbremse, einst als Inbegriff solider Finanzpolitik gefeiert, ist in der aktuellen geopolitischen Lage nicht mehr zeitgemäß.

Die Notwendigkeit massiver Investitionen in Verteidigung und Infrastruktur lässt keinen Spielraum für dogmatische Sparsamkeit. Deutschland kann sich diese Investitionen leisten. Auch die Ratingagenturen signalisieren, dass mehr Schulden jetzt der richtige Weg sind, um die wirtschaftliche Malaise zu überwinden. 

Die unmittelbaren Effekte werden jedoch erst mittel- bis langfristig sichtbar. Infrastrukturprojekte brauchen Zeit, und die Kapazitäten für die Umsetzung müssen erst aufgebaut werden. Die Finanzmärkte reagieren bereits positiv: Der DAX hat seit Jahresbeginn kräftig zugelegt, der Euro hat seine Schwächephase beendet. Anleger erkennen, dass Europa wieder attraktiver wird. Wir haben unsere Euro-Dollar-Prognose auf 1,15 US-Dollar angehoben. Ohne begleitende Strukturreformen, vor allem am Arbeitsmarkt, droht der Effekt der Geldschwemme zu verpuffen. Die Politik muss jetzt liefern. 

Die gegenwärtige Entwicklung ist ein Spiel mit Gegensätzen: Hier der neue Optimismus in Europa, dort die unberechenbaren Töne aus den USA. Flexibilität ist das Gebot der Stunde. Europa ist zurück auf der Landkarte der Investoren, und Deutschland spielt dabei eine Schlüsselrolle. Wir müssen die Chancen, die sich aus diesen Gegensätzen ergeben, für taktische Investments nutzen.

Dr. Manuel Steinbrink ist Ökonom, Institutionelle und Asset Management, bei der apoBank

Tim Humphreys, Ausbil IM: Das spricht für Investitionen in börsennotierte Infrastrukturunternehmen

Aufgrund einer Kombination aus drei Faktoren sehen wir in den nächsten Monaten Wertsteigerungspotenzial für börsennotierte Infrastrukturunternehmen weltweit.

Erstens hat die kurzfristige Underperformance im Vergleich zu globalen Aktien unserer Meinung nach zu einem erheblichen Aufwärtspotenzial bei den Bewertungen geführt. Zweitens müssen sich die Vorteile der zuletzt gestiegenen Inflation erst noch vollständig in den Einnahmen und dem Cashflow niederschlagen. Die Inflationsrate wird in den nächsten Jahren voraussichtlich über dem aktuellen Trend liegen. Daher dürfte es mehrere Jahre dauern, bis sich dieser Vorteil vollständig in höheren Gewinnen niederschlägt. Wir glauben nicht, dass der Markt diesen Effekt in vollem Umfang zu schätzen weiß. Da die Inflation aktuell wieder sinkt, können Infrastrukturwerte den Aufwärtstrend bei den Erträgen beibehalten und gleichzeitig von günstigeren Finanzierungsbedingungen profitieren. Darüber hinaus haben die langfristigen Wachstumstreiber wie die Energiewende und die Dekarbonisierung, das Repowering in Europa, die Umstellung der Mobilfunktechnologie von 4G auf 5G und die Auswirkungen von KI auf die boomende Stromnachfrage für die Infrastrukturunternehmen in diesen Bereichen noch nie so gute Voraussetzungen geboten wie heute.

Bemerkenswert ist, dass die Stromnachfrage in den USA in den letzten 20 Jahren stagniert hat. Dies hat dazu geführt, dass sich die Versorgungsunternehmen auf die Instandhaltung bestehender Anlagen, die Optimierung der Kosten und die Kapitalallokation konzentrierten. Eine Kombination starker Kräfte weckt diese schläfrigen Versorgungsunternehmen nun auf und verwandelt sie in neue, wachstumsorientierte Energieunternehmen. Wir sind der Meinung, dass dieses zusätzliche Wachstum zu einer Verbesserung der Bewertungen führen dürfte, die der Markt ihnen zuschreibt.

Daher gehen wir davon aus, dass es für börsennotierte Infrastrukturunternehmen weltweit viele Möglichkeiten gibt, nicht nur das Umsatzwachstum zu steigern, sondern auch die Kosten zu senken, die Margen zu steigern und damit Gewinne und Dividenden zu erzielen. Für uns als Investoren im Infrastrukturbereich ist dies sowohl überzeugend als auch spannend. Wir haben uns mit der NYLIM GF AUSBIL Global Essential Infrastructure-Strategie, die in Deutschland von Candriam vertrieben wird, so positioniert, dass wir in den kommenden Monaten und Jahren von diesen Trends profitieren werden.

Wichtige Infrastrukturanlagen sind so gut aufgestellt, dass sie im Jahr 2025 eine starke Dynamik beibehalten werden – unterstützt durch starken fundamentalen Rückenwind. In den USA wird erwartet, dass Präsident Donald Trump schnell eine wachstumsfördernde Politik umsetzt, die die Wirtschaftsleistung und das Binnenwachstum ankurbelt. Der KI-Sektor wird voraussichtlich in eine neue Phase eintreten, in der Vermarktungsmöglichkeiten stärker in den Fokus rücken. Vor diesem Hintergrund sind nordamerikanische Versorgungs- und Energieinfrastrukturunternehmen gut positioniert, um von der steigenden Stromnachfrage durch KI und Rechenzentren zu profitieren. Gleichzeitig ergeben sich Chancen durch die Energiewende, den Trend zur Rückverlagerung der Produktion (‚Reshoring‘) und die Modernisierung der Stromnetze. Auch wenn Europa weiterhin von politischer Unsicherheit geprägt ist, bleibt unsere Strategie darauf fokussiert, die besten globalen Investitionsmöglichkeiten innerhalb dieser Anlageklasse zu identifizieren.

Trotz der starken Performance im Jahr 2024 behalten wir unsere positive Einschätzung für essenzielle Infrastrukturwerte bei. Mit nach wie vor attraktiven Bewertungen und einer überzeugenden langfristigen Investmentperspektive bleiben wir voll investiert und zuversichtlich hinsichtlich der starken fundamentalen Rahmenbedingungen dieses Sektors.

Tim Humphreys, Head of Global Listed Infrastructure bei Ausbil Investment Management und Fondsmanager des NYLIM GF AUSBIL Global Essential Infrastructure Fund