Roberta Caselli, Global X

Europa baut Abhängigkeit von LNG-Importen aus

Die Europäische Union ist nach wie vor ein wichtiger Abnehmer von Flüssiggaslieferungen aus den Vereinigten Staaten. Am 7. Januar lagen die Zuflüsse nach Nordwesteuropa bei 248,57 Millionen Kubikmeter pro Tag, was einem Anstieg von 17 Prozent gegenüber dem 30-Tage-Durchschnitt entspricht.

Roberta Caselli, Global X

Die Nachfrage nach Gas in China, dem größten Abnehmer von LNG (Liquefied Natural Gas), ist in letzter Zeit zurückgegangen, und mehrere Unternehmen versuchen ihre LNG-Lieferungen bis zum Ende des Winters weiter zu verkaufen. Aufgrund des jüngsten Anstiegs der LNG-Preise, der Gas teurer als Öl machte, versuchen Kunden in Asien auf alternative Kraftstoffe auf Ölbasis umsteigen.

Europas Abhängigkeit von LNG-Importen nimmt indessen aufgrund von weiteren Versorgungsengpässen zu. Am Neujahrstag hat Russland die Gaslieferungen durch die Ukraine aufgrund des Auslaufens eines Transitabkommens zwischen den zwei verfeindeten Nationen unterbrochen. Für diesen Fall gab es in Europa keinen Ersatzplan.

Die Slowakei ist von dieser Entwicklung am stärksten betroffen, da das Land zum einem auf russisches Gas angewiesen ist, und zum anderen die Einnahmen von Transitgebühren wegfallen. Jüngsten Berichten zufolge scheint Russland jedoch angeboten zu haben, die Slowakei mit Gas zu beliefern, damit der inländische Bedarf in diesem Jahr gedeckt werden kann.

Gleichzeitig ist die Ausweitung der Erdgasprämie in Italien aufgrund des Transport-Stops durch die Ukraine ein Indikator für die erhöhte Nachfrage an alternativen Kraftstoffen in einigen Regionen Europas. Tatsächlich passen sich derzeit mehrere europäische Länder, die auf diese Gaslieferungen angewiesen waren, an die neue Realität an.

Bestände in den Gasspeichern sinken

Die Auswirkungen des europäischen Versorgungsrisikos sind auch im Hinblick auf die inländischen Lagerbestände erkennbar: deutsche Gasspeicher sanken in der Woche vor dem 7. Januar auf 76 Prozent.  In ganz Europa waren die Bestände zu diesem Zeitpunkt auf 69 Prozent gesunken, und lagen damit unter dem 5-Jahres-Saisondurchschnitt von 75 Prozent.

Trotz der Übereinkunft, dass bis 2025 ein Überangebot an Rohöl zu erwarten ist, gibt es bereits zu Beginn des Jahres Angebotssorgen. Um das Angebot an russischem Rohöl zu verringern, verschärften die Vereinigten Staaten ihre Sanktionen. Neben zwei Unternehmen, die über 25 Prozent der russischen Öltransporte auf dem Seeweg abwickeln, sind auch wichtige Versicherer und eine große Tankerflotte von den umfangreichen Sanktionen betroffen.

Die US-Sanktionen gegen acht weitere Unternehmen und neun Schiffe, die mit dem iranischen Ölhandel in Verbindung stehen, sind im Dezember ausgeweitet worden. Tatsächlich haben Raffinerien in China und Indien ihre Rohölkäufe aus dem Nahen Osten und dem atlantischen Becken in Erwartung möglicher Lieferengpässe, aufgrund weiterer Sanktionen gegen russische und iranische Importe, erhöht. Darüber hinaus ging die OPEC-Produktion im Dezember aufgrund von Wartungsarbeiten in den Vereinigten Arabischen Emiraten zurück, während die russische Ölproduktion hinter den von der OPEC gesetzten Zielen zurückblieb und die Exporte den niedrigsten Stand seit August 2023 erreichten. Mit Blick auf die geopolitischen Ereignisse, haben die jüngsten Drohnenangriffe der Ukraine auf die russische Ölinfrastruktur zusätzliche Sorgen über mögliche Lieferunterbrechungen geweckt.

Roberta Caselli

Roberta Caselli ist Commodities Research Analyst bei Global X, 2008 in New York gegründet und seit 2020 auch in Europa tätig. Global X konzentriert sich auf innovative ETFs mit dem Fokus auf Technologie und IT, wie zum Beispiel Cloud-Computing, Metaverse oder Internet of Things. An der Börse München sind knapp 40 ETFs von Global X handelbar.