Ulrich Kirstein, Börse München

Euphorie im Advent

Es herrscht Euphorie an den Märkten, auf zum Tanz auf dem Börsenparkett! „Dax springt erstmals über 20.000 Punkte“, titelt die Börsen-Zeitung, etwas euphorischer gibt sich Die Welt: „Der Dax auf Rekordhoch – und was das bedeutet“. Eher wenig, denn der deutsche Leitindex sei „kein Spiegelbild des Landes“, so die Zeitung weiter. Wie wahr. Selbst in die Abendzeitung schafft es der Dax und so prangt auf der Titelseite die Headline: „Dax auf Rekordhoch“, verbunden mit der Frage: „Aktien: Jetzt noch einsteigen?“ Wann, wenn nicht jetzt? Wer eher auf alternative Anlageformen setzt, wird ebenfalls belohnt, der „Bitcoin springt über 100.000 Dollar“, schreibt die Börsen-Zeitung.

 

Ulrich Kirstein / Bild: BBAG/Killius

Rekorde und Rally

Der Dax mit Allzeithoch und über 20.000 Punkte, wie high geben sich da die Finanzmagazine? Sie bleiben irgendwie unbeeindruckt. Vor dunkelrotem Grund füllt Der Aktionär eine Christbaumkugel mit „50% bis Jahresende“. Wir nehmen an, dass es dabei um eine Renditeprophezeiung und nicht um die Halbierung des Gehaltes geht. „Window Dressing – Rekorde – Rally: 5 Chancen auf Top-Gewinne noch 2024“, lautet die Unterschrift zur Kugel. Einen gezeichneten Anzugträger, der sich lässig auf ein Bündel Geldscheine fläzt und ein Martini-Glas in Händen hält, zeigt Börse Online. Was gemeint ist: „Ihr persönliches Zusatz-Einkommen: In 12 Monaten 13 % Dividende kassieren“. Schließlich sollen die „höchsten, sichersten & am schnellsten wachsenden Dividenden der Welt“ aufgeführt werden. Mehr Superlativ geht wirklich nicht mehr. Ganz im Gelbton gibt sich Focus Money und hat sich des Themas „die besten ETF-Strategien“ angenommen. Interessan aber schwierig zu illustrieren, wir beneiden den Grafiker nicht um seinen Job. Er hat es mit einem stehenden König im goldenen Glanz und einem liegenden schwarzen König auf einem Schachbrett gelöst. „Sicher und Stark: Das moderne Depot für mehr Rendite“, hat der Texter dazu vermerkt. 

Teuer für umsonst 

Ein bekannter FDP-Politiker ist gerade ins Kreuzfeuer geraten, weil er sich „etwas mehr“ von einem bekannten Politiker und einem bekannten Unternehmer für die deutsche Politik wünschte, um es einmal maximal verklausuliert auszudrücken. Wir stellen das einmal so in den Raum, der ansonsten vollgestellt mit Akten ist. Denn „22 Prozent der Arbeitszeit gehen für Bürokratie drauf – Unternehmen wenden 6 Prozent Umsatz auf“, berichtet Die Welt. Das ist keine Erfindung, sondern das Ergebnis einer ifo-Umfrage unter 437 Unternehmensmanagern. Das Hauptproblem, um es auf den Punkt zu bringen: Eine steigende Zahl von Bürokraten erlässt eine steigende Zahl von Gesetzen, die jedoch kaum „praxistauglich“ seien, so die Unternehmer. Hauptursache seien die vielen „Berichts-, Informations-, Dokumentations- und Meldepflichten“. Wir fragen uns: Wer liest eigentlich die ganzen Berichte, Informationen, Dokumente und Meldungen? In der Summe kostet dieses „Nichtstun“ 146 Mrd. Euro jährlich an Wirtschaftsleistung!

Zahme Katze

Für einige Schlagzeilen sorgt der Autobauer Jaguar, der nicht nur ohne Not sein Signet ändert – vom dynamisch springenden Jaguar zur austauschbaren Textmarke mit einer belanglosen Schrifttype -, sondern auch noch seinen Sportwagen in ein Barby-Elektromobil (wie es der Daily Telegraph ausdrückte) umwandelt. Unter dem bezeichnenden Namen Type 00 kommt so eine Art Nullnummer heraus. „Furchtlose Kreativität“ sei dabei am Werk gewesen, zitiert Die Welt den Chef-Designer von Jaguar Land Rover Gerry McGovern. „Shitstorm deluxe“ überschreibt die Süddeutsche Zeitung ihren Artikel dazu. Nun, der Konzern JLR gehört längst zum indischen Tata-Imperium und mit dem Type 00 soll nicht nur das Verbrennersegment verlassen, sondern auch vom Premium- ins Luxusgeschäft vorgestoßen werden. Ob damit die Verkäufe angekurbelt werden, die zuletzt deutlich eingebrochen waren? 80 bis 90 Prozent der Bestandskunden werde man verlieren, so die Schätzung. Aber das seien ja eh nur Senioren, die ihren Jaguar regelmäßig mit ihrem Golf-Caddy tauschten, heißt es. Manche munkeln von einer späten Rache Indiens am ehemaligen Kolonialherrn. Wir sind gespannt auf den ersten 00 an der Ladesäule, vielleicht besetzt mit dem neuen 007? Es ist ja auch bezeichnend, dass in der neuen Imagekampagne von Jaguar kein einziges Auto zu sehen ist…

Elektro-Mobil

Bleiben wir beim Automobil, wobei das mobil eher klein geschrieben ist. Mercedes Benz mag, wie andere deutsche Autohersteller, unter Absatzrückgängen leiden, einen treuen Kunden haben die Schwaben sicher: Den Papst. Der gibt sich jetzt streng nachhaltig, geradezu katholisch, und so wird das neue Papa-Mobil mit elektrischem Antrieb geliefert. Auf der Basis einer G-Klasse in klassischem Perlweiß gehalten, vom Design her eher an Playmobil als an Mercedes erinnernd, ist die Geschwindigkeit extra auf Schrittgeschwindigkeit heruntergedimmt. Dafür kann der Stuhl, auf dem der Pontifex zum Grüßen und Segnen Platz nimmt, elektrisch gedreht werden, wir nehmen an in Sitzgeschwindigkeit. „Mercedes macht das Papamobil elektrisch“, heißt es im Merkur, der den Mercedes-Boss Ola Källenius zitiert, dass sein Unternehmen und der Papst damit ein „starkes Zeichen für Elektromobilität und Dekarbonisierung“ setzen. Über die Reichweite wird nichts verlautbart, aber für einmal um den Petersplatz dürfte sie genügen.