Dr. Jianan He und Javier Garcia, Berenberg

China 2025: Zölle, Lokalisierung und Konsumanreize

China steht vor komplexen Herausforderungen. Daran dürften auch die Feierlichkeiten zum chinesischen Neujahrsfest Ende Januar 2025 wenig ändern. Geopolitische Spannungen, binnenwirtschaftliche Entwicklungen und politische Entscheidungen der Regierung Xi Jinpings verunsichern internationale Anleger seit Längerem – und belasten damit die Kurse chinesischer Aktienindizes. Die chinesische Regierung dürfte für 2025 an ihrem jährlichen BIP-Wachstumsziel von „etwa fünf Prozent“ festhalten und damit ihr Engagement für langfristige Wachstumsziele in den Fokus stellen.

Wir  sehen in 2025 nach wie vor selektive Chancen in China. Wir analysieren, wie sich potenzielle Zollerhöhungen, eine angepasste Fiskalpolitik und ein angekurbelter Binnenkonsum auf chinesische Aktien auswirken könnten. Erfolgsaussichten für Anleger in China sehen wir 2025 vor allem durch aktive Einzeltitelselektion und einen Fokus auf qualitativ hochwertige Unternehmen.  

Chinas Erfolgsaussichten für 2025 hängen wesentlich von der Wirksamkeit der Strategien ab, mit denen das Land dem Handelsdruck begegnet, maßgeschneiderte finanzpolitische Maßnahmen umsetzt und die Binnennachfrage ankurbelt. Angesichts der Chancen, die sich durch die Lokalisierung von Technologien, robuste Exportsegmente und den Binnenkonsum ergeben, empfehlen wir für 2025 einen selektiven und aktiven Ansatz bei Investitionen in chinesische Aktien.

Zölle als Herausforderung, Lokalisierung als Chance  

Die Handelsbeziehungen zwischen den USA und China bleiben eine kritische Variable für die wirtschaftlichen Aussichten Chinas. Die Annahme einer 60-prozentigen Zollerhöhung auf chinesische Waren durch die USA birgt erhebliche Risiken für das Wachstum. Wir gehen zwar nicht davon aus, dass die Trump-Regierung einen so hohen Zollsatz auf alle chinesischen Waren einführen wird. Eine Erhöhung im Durchschnitt scheint jedoch sehr wahrscheinlich. Zölle würden sich direkt auf die Exporte auswirken, Investitionen und Einkommen in exportorientierten Sektoren verringern und die allgemeine Stimmung in der Wirtschaft dämpfen.  

Um dem entgegenzuwirken, könnten die politischen Entscheidungsträger diese Auswirkungen durch eine Lockerung der Geldpolitik und eine kontrollierte Währungsabwertung abmildern, wobei eher mit moderaten als mit aggressiven Reaktionen zu rechnen ist. Der Zeitpunkt und der Umfang der Zölle werden auch die vierteljährliche Konjunkturentwicklung beeinflussen, wobei die Exporte möglicherweise vorgezogen werden, bevor die Erhöhungen in Kraft treten. Trotz dieser Herausforderungen sehen wir nach wie vor Chancen in Exportsegmenten mit starkem geistigem Eigentum und einem Fokus auf asiatische und europäische Märkte, die von den Zöllen weniger betroffen sind. Darüber hinaus dürfte China angesichts der zunehmenden Konflikte mit den USA die Technologielokalisierung weiter beschleunigen, was erhebliche Investitionsmöglichkeiten im Technologiesektor eröffnet.  

Der Technologiesektor in China steht aufgrund geopolitischer Spannungen unter Druck. Dennoch sehen wir die US-Sanktionen als zweischneidiges Schwert: Sie könnten Chinas Fortschritt in Spitzentechnologien verlangsamen, zwingen das Land jedoch gleichzeitig dazu, seine Lieferkette auszubauen, Selbstversorgung zu fördern und in Bereichen zu wachsen, die von verstärkter heimischer Substitution profitieren. Betrachtet man etwa die Selbstversorgungsquote in Chinas Halbleiterindustrie, sehen wir großes Potenzial, den Marktanteil lokaler chinesischer Anbieter weiter zu steigern, insbesondere in den Bereichen Chip-Design (Electronic Design Automation), geistigem Eigentum (Intellectual Property) sowie Halbleiterausrüstung. 

Fiskalpolitik und Konsum 

Die Fiskalpolitik wird eine entscheidende Rolle bei der Eindämmung des externen und internen Drucks spielen. Das offizielle Haushaltsdefizit wird voraussichtlich 3,8 Prozent des BIP übersteigen und damit die traditionellen Obergrenzen sprengen. Der fiskalische Ansatz ist zwar proaktiv, wird aber moderat bleiben. Trotz dieser Maßnahmen wird das Ausmaß der fiskalischen Expansion durch die hohe öffentliche Verschuldung begrenzt, die inzwischen 113 Prozent des BIP ausmacht. Die politischen Verantwortlichen werden ein Gleichgewicht zwischen kurzfristiger Flexibilität und langfristiger Nachhaltigkeit finden, wobei unserer Meinung nach bei der fiskalischen Expansion gezielte Maßnahmen wie die Unterstützung des Konsums Vorrang haben werden. 

Die Ankurbelung des Binnenkonsums hat für 2025 oberste Priorität. Der Beitrag des Konsums zum BIP-Wachstum ging 2024 deutlich zurück, belastet durch schwaches Einkommenswachstum, Beschäftigungsunsicherheiten und negative Vermögenseffekte auf dem Wohnungsmarkt. 

Für 2025 plant die Regierung gezielte Maßnahmen zur Förderung des Konsums

  • Handelszuschüsse: Ausweitung von Programmen für Gebrauchsgüter wie Autos und Haushaltsgeräte, wodurch die Zuschüsse von 150 Milliarden RMB im Jahr 2024 auf 200 bis 250 Milliarden RMB steigen könnten.
  • Sozialleistungen: Erhöhung der Grundrenten in städtischen und ländlichen Gebieten und der Zuschüsse für die Gesundheitsversorgung, wobei die Gesamtausgaben möglicherweise 150 bis 210 Milliarden RMB erreichen könnten.
  • Anreize für Neugeborene: Einführung von Zulagen zur Förderung höherer Geburtenraten, geschätzt auf 70 bis 140 Milliarden RMB pro Jahr.

Darüber hinaus wird erwartet, dass die Ankurbelung des Konsums die Wettbewerbsfähigkeit chinesischer Marken stärkt und es ihnen ermöglicht, Marktanteile gegenüber ausländischen Produkten zu gewinnen, indem sie preiswerte Optionen anbieten. 

Im Berenberg Emerging Asia Focus Fund bevorzugen wir qualitativ hochwertige Unternehmen, die von diesen Investitionsmöglichkeiten in China profitieren können. Unter anderem sind folgende chinesische Unternehmen aus unserer Sicht aussichtsreich positioniert: 

  • Naura – Technolgie: Das 2001 gegründete Unternehmen Naura ist Chinas größter Hersteller von Halbleiterausrüstungen mit einem breiten Produktportfolio. Der Bereich IC-Geräte und -Dienstleistungen trägt 2024 über 75 Prozent zum Umsatz bei und soll weiter wachsen. Naura bedient ausschließlich den chinesischen Markt, der aufgrund von US-Exportbeschränkungen unterversorgt ist. Das Unternehmen ist führend in ICP- und PVD-Technologien und profitiert vom Trend zur inländischen Substitution.
  • PopMart – Nicht-Basiskonsumgüter: Das 2010 gegründete Unternehmen Pop Mart ist ein Vorreiter der Art-Toy-Kultur in China und produziert jährlich über 1.000 Figuren, darunter bekannte IPs wie Molly, Dimoo und Skullpanda. Wachstumstreiber ist insbesondere die Expansion ins Ausland: Nach Angaben des Unternehmens sollen 2025 mindestens 70 internationale Geschäfte eröffnet werden. Langfristig dürfte Pop Mart vom Export und der steigenden Nachfrage nach Pop-Toys profitieren.
  • Eastroc – Basiskonsumgüter: Das 1994 gegründete Unternehmen Eastroc Beverage ist Chinas größte heimische Marke für Energydrinks mit einem Marktanteil von über 45 Prozent nach Volumen im Jahr 2024. Mit starken Vertriebsnetzen gewinnt Eastroc in China im Ver-gleich zu ausländischen Marken weiterhin Marktanteile. Der Markt für Energydrinks wächst in China schneller als die Gesamtnachfrage nach Softdrinks, was auf die zunehmende Marktdurchdringung zurückzuführen ist.

Dr. Jianan He

Dr. Jianan He ist Portfoliomanager für Emerging Markets Aktien bei Berenberg. Berenberg wurde 1590 gegründet und gehört heute mit den Geschäftsbereichen Wealth and Asset Management, Investmentbank und Corporate Banking zu den führenden europäischen Privatbanken. Das Bankhaus mit Sitz in Hamburg wird von persönlich haftenden Gesellschaftern geführt und hat eine starke Präsenz in den Finanzzentren Frankfurt, London und New York.

Javier Garcia

Javier Garcia ist Portfoliomanager für Emerging Markets Aktien bei Berenberg. Berenberg wurde 1590 gegründet und gehört heute mit den Geschäftsbereichen Wealth and Asset Management, Investmentbank und Corporate Banking zu den führenden europäischen Privatbanken. Das Bankhaus mit Sitz in Hamburg wird von persönlich haftenden Gesellschaftern geführt und hat eine starke Präsenz in den Finanzzentren Frankfurt, London und New York.