Robert Halver, Baader Bank

Bereiten BRICS+ dem US-Dollar den Garaus?

BRICS+, ein Block aus den Kernländern Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika erhält immer mehr Club-Mitglieder. Sie eint die Schwächung des „Klassenfeinds“ Amerika, vor allem aber das Bestreben, sich von seiner Vorherrschaft an den Finanz- und Devisenmärkten freizumachen. Ist der Prozess der Ent-Dollarisierung eingeleitet?

Robert Halver, Baader Bank AG

Als Gruppe verfügen die BRICS+ bislang bereits über 37 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung, 44 Prozent der Weltbevölkerung und 42 Prozent der globalen Devisenreserven. Und mit Beitritt von Aserbaidschan, Bahrain, Bangladesch, Weißrussland, Bolivien, Kuba, Pakistan, Senegal, Thailand, Türkei, Venezuela und wohl auch Saudi-Arabien wird der „Make America geopolitical weak“-Block noch stärker. Auf dem Treffen im russischen Kasan hat man die weitere Integration von BRICS+ beschlossen, u.a. über ein gegenüber Amerika alternatives Finanzzahlungssystem. Fernziel ist sogar die Schaffung einer einheitlichen BRICS+-Währung, um Amerikas geopolitische pole position langfristig zu brechen.

Hat der Siegeszug der BRICS+-Währungen gegenüber US-Dollar begonnen?

Noch spielen BRICS+-Währungen beim globalen Zahlungsverkehr über SWIFT und als globale Währungsreserve eine überschaubare Rolle. Auch im Ölhandel ist die Gefahr für den US-Dollar zunächst begrenzt. Zwar hatte die weltweite Ölnachfrage außerhalb der OECD 2023 einen Anteil von 55 Prozent erreicht. Doch sind die BRICS+ bei der Produktion bislang nicht stärker als Amerika, Kanada und Mexiko. Und Amerika als größter Ölversorger der Welt könnte sein Fracking jederzeit ausweiten, was offensichtlich im Bedarfsfall auch bei Demokraten kein No-Go mehr ist. Auch im Welthandel dominieren immer noch die Dollar-affinen Industrieländer. Doch kommt die Dollar-Gefahr von einem immer stärkeren Handel der BRICS+-Länder untereinander. Dieser hat sich seit 2008 nahezu verdoppelt. Das liegt auch an den Handelssanktionen Amerikas gegenüber China, die Peking zwingen, nach Alternativen zu suchen. Und würde nach der US-Präsidentenwahl ein noch schärferer Handelswind wehen, werden die Chinesen ihre Abhängigkeitsbewegung vom Dollar-dominierten Welthandel noch verstärken.  

Ein Schreckgespenst für den Dollar wäre es in diesem Zusammenhang, wenn sich die BRICS+-Staaten auf eine digitale Währungseinheit - Central Bank Digital Currency - verständigen, an der Zentralbanken aus China, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Thailand bereits arbeiten. Auf dieser einheitlichen Plattform könnte der Handel direkt zwischen zwei BRICS+-Währungen stattfinden, ohne den Zwischenschritt über Dollar und eine US-Bank gehen zu müssen. Aber schöne Theorie ist nicht schnöde Praxis: Schon eine einzelne Notenbank in der westlichen Welt hat bei der Schaffung einer digitalen Zahlungseinheit ihre liebe Not. Wie schwer muss es da erst sein, eine supranationale digitale Währungseinheit zu etablieren, an der Länder mit wirtschafts- und finanzpolitisch höchst unterschiedlichen Bedingungen beteiligt sind?

Überhaupt, sollte der Yuan der Anker einer neuen Weltleitwährung werden, müsste für Chinas Finanz- und Devisenmärkte wie beim Arzt gelten: Machen sie sich bitte mal frei. Eher jedoch fahren Donald Trump und Xi Jinping gemeinsam auf Kegeltour, als dass China seine Währung einfach so in die Freiheit entlässt. Dieser Kontrollverlust passt nicht zur KP, zumal der dann nach oben schießende Renminbi ein Exporthemmnis wäre. Brasiliens Staatspräsident Lula da Silva sieht den Euro als Vorbild einer alternativen Weltwährung. Doch selbst die Gemeinschaftswährung brauchte von den ersten Planungen bis zur Einführung über 25 Jahre, obwohl Europa bereits ökonomisch stark integriert war. Und selbst wenn man hier Einigkeit erzielt, ist man noch lange keine Welt-Leitwährung.

Überhaupt, je größer BRICS+ wird, umso schwerer ist es, Corpsgeist zu entfachen. Und wer soll den Hut aufhaben? Die ach so freundlichen Familienfotos können nicht verheimlichen, dass die Mitgliedsländer zuerst immer nur an sich denken. Indien z.B., dessen Skepsis China gegenüber tiefverwurzelt ist, wird sich weder unter Preis verkaufen noch sich nur auf China fixieren.  

Bedrohung für den US-Dollar kurzfristig über-, langfristig jedoch unterschätzt

Insgesamt steht die Gefahr einer zum US-Dollar ebenbürtigen alternativen Währung der BRICS+-Staaten nicht unmittelbar bevor. Für Entspannung und Gelassenheit besteht in Washington jedoch kein Grund.

Amerika hat genügend eigene Probleme. Das Haushaltsdefizit beträgt acht Prozent, die Gesellschaft ist gespalten und die politischen Verhältnisse sind vielfach „weird“, also schräg. Ungetrübte Weltmacht sieht anders aus. Außerdem laufen die USA Gefahr, ihre Verbündeten weltweit vor den Kopf zu stoßen. Doch nur wenn die freie Welt zusammenhält, kann sie sich gegen zunehmend autoritäre Tendenzen der BRICS+-Länder wehren. Dieses Verständnis kommt im US-Präsidentschaftswahlkampf zu kurz.    

Amerika ist gut beraten, den Dollar-Horizont frühzeitig auf dunkle Wolken abzusuchen

Der entscheidende Treiber für eine Ent-Dollarisierung sind Devisenreserven. Diese werden zwar immer noch zu rund 58 Prozent in US-Dollar gehalten. Doch je mehr die BRICS+-Länder - auch zum geopolitischen Mütchen kühlen - auf Gold als Alternative zu US-Zinspapieren setzen, umso mehr geht es der Weltleitwährung an den Kragen. Dafür sorgt nicht zuletzt das Einfrieren der im Besitz Russlands befindlichen US-Bonds in Höhe von fast 300 Mrd. Dollar, die für den Kreml nicht mehr verfügbar sind. Die Angst anderer Schwellenländer ist groß, dass ihnen Ähnliches passiert. Da hält man sich doch lieber an physischem Gold fest, auf das man immer direkten Zugriff hat. Bislang ist der Anteil von Gold an den Zentralbankreserven der BRICS+ nur halb so groß wie der globale Durchschnitt. Doch schon damit beträgt ihr Anteil an den weltweiten Goldbeständen 22 Prozent.

Wenn die BRICS+-Zentralbanken ihre Goldbestände auf das internationale Niveau erhöhen - und sie kaufen munter weiter - würde die Basis einer zumindest teilgoldgedeckten Alternativwährung immer größer. Es bleibt abzuwarten, was die durch permanentes Gelddrucken inflationsgeschädigte Schuldenwährung der Amerikaner dann dieser „Stabilitätswährung“ längerfristig entgegensetzen kann.

Noch muss Amerika nicht um seinen Status als Weltleitwährung bangen. Doch ist spätrömische Dekadenz bei Uncle Sam völlig unangebracht. Früher hieß es: Der Dollar ist unsere Währung, aber euer Problem. Amerika sollte alles dafür tun, damit es nicht heißen wird: Der Dollar ist eure Währung, aber nicht mehr unser Problem.

Robert Halver

Robert Halver leitet seit 2008 die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank. Mit Wertpapieren und Anlagestrategien beschäftigt er sich in verschiedenen Positionen – darunter beim Bankhaus Delbrück und der Schweizer Bank Vontobel – bereits seit 1990. Der wortgewandte Aktienexperte ist durch regelmäßige Medienauftritte und Fachpublikationen sowie als Kolumnist einem breiten Publikum bekannt.

Disclaimer

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