Dr. Jürgen Michels, BayernLB

Ausblick 2025: Politischer Stresstest

Die Finanzmärkte haben auf das klare und schnelle Ergebnis der US-Wahlen mit Erleichterung reagiert und bereits viele der erwarteten Effekte der zweiten Trump-Präsidentschaft eingepreist. Da jedes Marktsegment jedoch nur Teilaspekte des möglichen Pakets berücksichtigt – so finden die gestiegenen langfristigen Renditen nur wenig Beachtung am Aktienmarkt – erwarten wir im Jahr 2025 einen volatilen Verlauf an den Finanzmärkten. Zudem wird die tatsächliche Umsetzung der Trump-Politik für Überraschungen sorgen. Und die angespannte Situation in den Kriegsgebieten in der Ukraine und im Nahen Osten wird sich nicht in Wohlgefallen auflösen und zumindest kurzfristig zu Marktturbulenzen führen.

Dr. Jürgen Michels, Bayerische Landesbank

Die wirtschaftliche Entwicklung nicht nur in den USA, sondern global, wird von den Aktionen der Trump-Administration besonders in der Migrations- und Zollpolitik geprägt werden. Auch wenn die Zölle in einigen Fällen durch „Deals“ abgewendet oder abgemildert werden, wird das jedoch nicht die Norm sein und es zu Gegenmaßnahmen in anderen Ländern kommen. Dadurch wird der globale Handel und die Konjunktur gebremst und zugleich der Inflationsdruck erhöht. Dies limitiert nicht nur für die Fed, sondern auch für die EZB, den Lockerungsspielraum. Wir erwarten daher ein Ende der Zinssenkungen im ersten Halbjahr 2025. Ein übermäßiger Anstieg der Staatsverschuldung in den USA (und in Europa) könnte zu einem Anstieg der Risikoprämien führen, der auch die Finanzierungskosten für den Privatsektor in die Höhe treibt und Investitionen hemmt. Dank der Unterstützung durch steigende Realeinkommen, sinkende kurzfristige Finanzierungskosten und ein Konjunkturpaket in China, das zumindest positive Auswirkungen auf die heimische Wirtschaft hat, erwarten wir insgesamt nur eine leichte Abschwächung der globalen Konjunktur.

Die neue Regierung muss Weichen stellen

Die wirtschaftlichen, geopolitischen und strukturellen Rahmenbedingungen für die neue Bundesregierung sind alles andere als rosig und wir sehen kaum Möglichkeiten, daran kurzfristig etwas zu ändern. Umso wichtiger ist es schnell die Weichen für eine mittelfristige Stärkung des Standorts Deutschland durch Bürokratieabbau, Innovationsförderung, wettbewerbsfähige Unternehmenssteuern, eine verlässliche Dekarbonisierungsstrategie und eine Modernisierung der Infrastruktur zu stellen. Dies benötigt eine gezielte Anpassung der Schuldenbremse, die mit dem Einfrieren der Sozialausgaben für einige Jahre verknüpft werden sollte.

Jürgen Michels

Dr. Jürgen Michels ist Chefvolkswirt und Leiter Research der BayernLB in München. Vor seinem Start bei der BayernLB arbeitete er zwischen 2002 und 2013 als kapitalmarktorientierter Euro-Raum Volkswirt bei der Citigroup in London, seit  2008 als Euro-Raum Chefvolkswirt. Von 1997 bis 2002 war er als Volkswirt bei Sal. Oppenheim in Köln und von 1996 bis 1997 als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Internationale Wirtschaftspolitik der Universität Bonn tätig. Dr. Michels studierte Volkswirtschaft an der Universität Bonn. Er promovierte mit einer Arbeit zu Zentralbankstrategien an der Universität Frankfurt.