Felix Herrmann, ARAMEA Asset Management

Aufbruchstimmung in Europa – trotz Trump

Wirtschaftlich hat sich in den USA nach den ersten Monaten unter Präsident Donald Trump Ernüchterung eingestellt. Rezessionssorgen halten wir aber für übertrieben. In Europa steht das deutsche Infrastrukturpaket im Fokus. Dieses könnte aus unserer Sicht die Statik am Rentenmarkt verändern. Am Aktienmarkt sollte die Aufholjagd europäischer Papiere gegenüber US-amerikanischen Titeln weitergehen.

Felix Herrmann, ARAMEA Asset Management

Nach dem Wahlsieg Trumps waren sich die meisten Marktteilnehmer einig: Er wird den US-Konjunkturmotor unter dem Strich weiter anfeuern. Nun wird jedoch deutlich, dass die eher wachstumsfreundlichen „Reformen“ Trumps auf sich warten lassen, während Zollpolitik und Entlassungen im öffentlichen Sektor die Stimmung im Land zunächst einmal stark belasten. Die USA dürften aber auch im Jahr 2025 einen Bogen um eine Rezession machen. Weiterhin profitieren sie wie weltweit keine andere Region von den großen Megatrends dieser Zeit, vornehmlich dem KI-Trend.

Während in den USA die Zeichen eher auf Verlangsamung der Wirtschaft stehen, herrscht in Europa spätestens seit der Verabschiedung des deutschen „Sondervermögens“ Aufbruchstimmung – Trumps Zöllen zum Trotz. Ob das Fiskalpaket in Deutschland jedoch der erhoffte „Game Changer“ wird – frei nach dem Motto „viel hilft viel“ – ist fraglich. Die großen deutsche Wirtschaftsforschungsinstitute erwarten, dass es einen spürbaren Wachstumseffekt geben wird. Da die freien Produktionskapazitäten der europäischen Industrie jedoch auch aufgrund des Fachkräftemangels beschränkt sind, dürften die Ausgabensteigerungen auch zu Produktionsengpässen und somit zu mehr Inflation beziehungsweise mehr Importen – insbesondere aus den USA – führen.

USA: höhere Inflation, weniger Spielraum für Zinssenkungen

Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) und die Europäische Zentralbank (EZB) stehen vor schwierigen Monaten. In den USA feuert ein Präsident, der nicht versteht, welch hohes Gut die Unabhängigkeit der Notenbank darstellt, eine Salve nach der anderen in Richtung Fed-Chef Jerome Powell, der sich „weigert“ die Zinsen zu senken. Tatsächlich stellen die steigenden Inflationserwartungen aufgrund der Zollpolitik jedoch eine Gefahr für die Preisstabilität in den USA dar.

Obwohl die Einführung von Zöllen das Preisniveau nur einmalig anhebt, hat die Politik Trumps zumindest kurzfristig höhere Inflationszahlen in den USA zur Folge. Zu erwarten ist, dass die Zölle die Kerninflation trotz eines unterliegenden disinflationären Trends in den kommenden zwölf Monaten auf über drei Prozent treiben werden, bevor sie sich wieder dem Zielwert annähert. Der Spielraum für die Fed, die Geldpolitik kurzfristig zu lockern, ist somit äußerst überschaubar. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass dies nur für eine unabhängige Notenbank gelten dürfte. Ersetzt Trump Jerome Powell im Frühjahr 2026 durch einen gefügsamen Notenbankchef, der bereitwillig trotz höherer Inflation die Zinsen senkt, ist theoretisch alles möglich. Wenn die Wochen seit Trumps Amtsantritt eines gezeigt haben, dann, dass er vor nichts zurückschreckt. Allerdings würde ihm der Markt wohl die rote Karte zeigen – die einzige rote Karte, die er vermutlich zur Kenntnis nimmt.

Europäische Währungshüter dürften vorsichtiger werden

Die EZB sieht sich zwar keinen Angriffen auf ihre Unabhängigkeit ausgesetzt, aber auch sie agiert spätestens seit Trumps Amtsantritt unter höherer Unsicherheit. Hinzu kommt nun die Aufgabe, abzuschätzen, inwiefern die steigenden Staatsausgaben die Inflation womöglich wieder anfachen. Beide Aspekte sprechen für sich genommen für eine in Zukunft etwas vorsichtigere Vorgehensweise im Zinssenkungsprozess – zumal das neutrale Zinsniveau in Reichweite ist. Den neutralen Zins verankert die EZB laut einer neuen Studie bei 1,75 Prozent bis 2,25 Prozent. Vom Mittelwert dieser Spanne ist man somit nur noch 50 Basispunkte entfernt. Wir erwarten, dass sich der Zinssenkungsspielraum durch die jüngsten Nachrichten verkleinert hat und das Ende des Senkungszyklus nun bei 2,00 Prozent zu erwarten ist.

Am Rentenmarkt der Eurozone steigen die Renditen

Für den Rentenmarkt in Europa ergibt sich durch Deutschlands Schuldenwende eine veränderte Statik. Da die Bundkurve die wichtigste Referenz am Markt darstellt, verschieben sich durch den deutschen Renditeanstieg die Renditestrukturkurven nahezu aller Euro-Schuldner nach oben. Und ein weiterer Renditeanstieg für länger laufende Bundesanleihen scheint vorgezeichnet.

Höhere Schuldenstände führen keinesfalls unausweichlich zu schlechteren Ratings beziehungsweise höheren Risikoaufschlägen. So war Deutschlands Top-Rating zuletzt eher wegen fehlenden Wachstums in Gefahr – nicht wegen schlechter Bonität. Da Deutschland in den nächsten Jahren aufgrund massiv steigender Fiskalausgaben sehr wahrscheinlich stärker wachsen wird, als es ohne das Paket der Fall gewesen wäre, und auch die Inflation tendenziell etwas höher ausfallen dürfte, rechnen wir mittelfristig dennoch mit steigenden Bundrenditen. Wir kalkulieren mit einem neuen gleichgewichtigen Renditeniveau bei zehnjährigen Bundesanleihen von 3,25 Prozent. Die deutsche Zinskurve sollte im Zuge dessen weiterhin steiler werden.

Europäische Aktien dürften Positivtrend fortsetzen

Europäische Aktien haben in den ersten Wochen des Jahres 2025 ein bemerkenswertes Comeback hingelegt und US-Titeln deutlich die Rücklichter gezeigt. Die Aufbruchstimmung in Europa dürfte weitere Kräfte freisetzen, sodass die Aufholjagd europäischer Papiere gegenüber US-amerikanischen Titeln weitergehen sollte. Bei US-Aktien steht die Ampel aus unserer Sicht nach dem Ausverkauf auf gelb bis grün. Kurzfristig drohen weiter Verluste. Hohe Margen und eine übertriebene Rezessionsangst machen zumindest ausgewählte Branchen attraktiv.

Die Performance von Dax & Co. wurde bislang allein durch einen Anstieg der Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGV) getrieben. Da wir damit rechnen, dass neben weiteren „Fortschritten“ bei den KGVs auch das Gewinnwachstum in Europa unter anderem vor dem Hintergrund steigender Staatsausgaben zulegen wird, sind weitere Kursgewinne für den breiten Markt aus unserer Sicht wahrscheinlich. Diese könnten dann wiederum Anleger zusätzlich unter Druck setzen, da viele Investoren bei europäischen Aktien stark unterallokiert sind.

Als problematisch erachten wir hingegen Branchen, die stark unter dem von Trump lancierten Handels-krieg leiden. Hier ist zuvorderst die Autobranche zu nennen. Trotz des Gegenwinds höherer Zinsen rechnen wir hingegen mit einer Outperformance von Small und Mid Caps in Europa, da diese überpro-portional von den Ausgabenprogrammen profitieren dürften.

Felix Herrmann

Felix Herrmann ist Chefvolkswirt bei ARAMEA Asset Management AG, die zu den größten unabhängigen Asset Managern in Deutschland zählt. Das 32-köpfige ARAMEA-Team verantwortet über 4,8 Milliarden Euro in Publikums- und Spezialfonds sowie in Vermögensverwaltungsmandaten. Der Kundenkreis umfasst Sozialversicherungsträger, Verbände, Stiftungen, Versicherungen, Banken, Unternehmen, kirchliche Einrichtungen und Family Offices.